Unsere Spuren dürfen nicht erlöschen

Gegebenheiten kritisch betrachtet

Vielen Bürgern dieser Republik ist unsere 300-jährige Geschichte – die Geschichte der Banater Schwaben – nach wie vor eine Unwissenheit. Warum das so ist? Dazu gibt es mehrere Gründe.
Im Bewusstsein eines Volkes  ist der, der anderswo geboren, ein Fremder. Es ist der Fremde in der neuen Gesellschaft. Die Fremdheit eines Aussiedlers in Deutschland wird am ehesten in der Frage nach den Angehörigen eines anderen Dialektes oder einer anderen Kultur deutlich. Sicherlich spielt auch die Geschichte des vermeintlichen Fremden eine große Rolle. Die Überlieferung der Geschichte dieses „Fremden“ über die Medien an die Volksmasse kann Vorurteile gegenüber dieser Minderheit erheblich abbauen. Eine bereitwillige Integration des Aussiedlers wird nicht genügen, um feindseligen Gefühlen des Einheimischen zu glätten. Dafür muss der Unterricht in den Schulen des deutschen Staates bewusst unsere Geschichte und Kultur übermitteln. Auch die Medien sind gefordert. Einseitige Berichterstattungen degradieren oftmals die Integrationsbereitschaft und die Volkszugehörigkeit des emigrierten Deutschen zum eigenen Volk. Auch das gezielte Nichtpublizieren, – aus welchem Grund auch immer – von Geschichtsereignissen in der Presse schwächt das Zusammenleben des „Fremden“ mit dem Einheimischen. So bleibt der Aussiedler ein Fremder in der kalten neuen Heimat, obwohl er in seinem neuen Umfeld als Mensch geachtet und oftmals hoch geschätzt wird. Um diesem Zustand entgegenzutreten, sind die Politik, die Vereine (Landsmannschaften) und vor allem die Medien relevant.
Mir scheint es ein Rätsel, wie zurzeit von der Zwangsaussiedlung 1952 aus Brandenburg berichtet wird, aber kein Ton und kein Bild im vergangenen Jahr von der Zwangsaussiedlung der Banater in den Bărăgan 1951, die in den Äther hätten schweifen können.
Die Aufarbeitung unserer Historie ist unterschiedlich. In Rumänien hat man das Beäugen und das Aufarbeiten unserer Vergangenheit längst erkannt (s. zum Beispiel die Dokumentation Heimat-Film zur Geschichte der Banater Schwaben des rumänischen Fernsehens (Sendung in deutscher Sprache Akzente) oder auch auf unserer Website Menü Youtube Videos – Geschichte der Banater Schwaben – Heimat oder Zwei Schwestern).
Die Bundesrepublik hängt hingegen mit unseren Identitätsveröffentlichungen leider stark nach.

Erfreulicherweise konnte ich in den letzten Wochen regional drei Veranstaltungen hinsichtlich Aufklärung und Aufarbeitung unserer Geschichte, unserer Kultur und einem gesellschaftlichen Miteinander beiwohnen.

Heimattag der Banater Schwaben 2022 in Ulm

In der Ulmer Fußgängerzone traten die Banater Trachtengruppen auf und boten Volkstänze aus dem Banat an. Vom Ulmer Marktplatz konnte man schon das ertönen der „Original Donauschwäbischen Blaskapelle aus Reutlingen“ und der „Weinbergmusikanten“ Metzingen hören.

Punkt 12 Uhr setzte sich ein Trachtenzug in Richtung Ulmer Rathaus in Bewegung. Hier wurde die Volksgruppe aus dem südöstlichen Europa von dem Stadtoberhaupt von Ulm empfangen. Der Oberbürgermeister Gunter Czisch und der Bundesvorsitzende der Banater Landsmannschaft, Peter-Dietmar Leber hielten kurze Ansprachen. Man berichtete von der guten Zusammenarbeit zwischen den Banater Schwaben und deren Patenstadt Ulm. Mit voller Begeisterung sieht man heute schon dem Heimattag 2024 entgegen, wo doch die Stadt Ulm dann als 50-jährige Begegnungsstätte der Banater Schwaben fungieren wird.

Ulmer Rathaus mit Fassaden-Wandmalereien, u. a. mit einer Darstellung der Ulmer Schachteln
Oberbürgermeister Gunter Czisch mit dem Bundesvorsitzenden der LM Peter-Dietmar Leber

Ulm ist eine mittelalterliche Stadt im süddeutschen Bundesland Baden-Württemberg. In der Stadtmitte befindet sich das imposante Ulmer Münster, eine jahrhundertealte Kirche im gotischen Baustil. Ihr Kirchturm bietet Blick auf die Stadt und bei klarem Wetter lassen sich sogar die Alpen erkennen. Das Rathaus zeichnet sich durch seine Fassade aus der Frührenaissance, seine Fresken und seine astronomische Uhr aus dem 16. Jahrhundert aus. Die engen Gassen des Fischerviertels, einem Stadtteil an der Donau, werden durch Fachwerkhäuser geprägt. ― Google

Um 13 Uhr bewegte sich der Festzug durch das Tor des Metzgerturms in Richtung Auswanderer-denkmal, wo eine Gedenkfeier mit Kranznieder-legung stattfand.

Der schiefe Metzgerturm
Die Gedenkfeier am Donauschwabenufer in Ulm
Am Donauschwabenufer in Ulm
Banater Geschichte von fast 300 Jahren

An diesem Ufer fand die Kranzniederlegung statt

Entlang des Donauufers der Donauschwaben in der schönen Stadt Ulm begaben sich viele neugierige Banater Schwaben, darunter auch neun Sanktandreser, in das neu eröffnete Donauschwäbische Zentralmuseum.

Nach einem herzlichen Empfang von der Leitung des Museums fanden parallel zwei Führungen statt: „Donau, Flussgeschichten“ und „Donauschwaben. Aufbruch und Begegnung“. Ich entschied mich für die zweite Führungsreihe.

Frau Dr. Swantje Volkmann reihte in der einstündigen Führung unsere Geschichte von der Auswanderung unserer Ahnen im 18. Jahrhundert ins Banat bis zur Migration nach Deutschland im 20. Jahrhundert auf. Was ich eigentlich bei dieser Spurensuche feststellen konnte, waren die zahlreichen Massenbewegungen seit Ansiedlung des Banats durch die Donauschwaben bis zur Eliminierung und Aussiedlung dieses Volksstammes.
Für mich Sanktandreser war die Aufbewahrung bzw. die Bereitschaft zur Ansicht der Deportationsbilder der Andreserin Juliana Rausch im DZM, die ich auch noch kannte, von großer Hochachtung.

Die zwei Bilder stellen den Abtransport der Deportierten in die UdSSR und das dortige Arbeitsleben dar.

Ein Abstecher in das Museum ist sicherlich eine Bereicherung an Wissen für alle Interessierten für Geschichte und Kultur dieses Landes.

Am Abend fanden sich zahlreiche Gäste zum Festprogramm ein. Peter-Dietmar Leber begrüßte die Anwesenden. Das Grußwort sprach der Oberbürgermeister der Stadt Ulm Gunter Czisch.
Der Hauptredner des Festaktes war der Stellv. Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Thomas Strobl. Herr Strobl ehrte unseren Volksstamm mit lobenden Worten. Es wäre angebracht, diese Ansichten unbedingt nach außen zu tragen, um das Fremdheitsgefühl bei vielen deutschen Bürgern abzubauen.
Der Stellv. Botschafter Rumäniens in Berlin, Michael Fernbach, und die Vertreterin des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat und Reporterin von Radio Temeswar Astrid Weisz würdigten die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien, die seit 30 Jahren bestehen und beide bauen auch weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit zwischen der Landsmannschaft in Deutschland und des DFDR.
Den Festvortrag „Landsmannschaft. Auf der Suche nach Zugehörigkeit“ hielt mit großer Begeisterung der Anwesenden Dr. habil. Mathias Beer, Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Tübingen.

Es folgten die Ehrungen mit der „Prinz-Eugen-Nadel“, die höchste Auszeichnung der Landsmannschaft der Banater Schwaben. Die Auszeichnung erhielten Ovidiu Ganţ, Abgeordneter des Demokratischen Forums der Deutschen im Parlament Rumäniens, und Dr. Bernd Fabritius, Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten a. D.

Überreichung der hohen Auszeichnung an Herrn O. Ganţ

Herr Ganţ, in der Banater Kleinstadt Detta geboren, ist ein überzeugter Parlamentarier, der sich ununterbrochen für seine Landsleute einsetzt, denke man an die Entschädigungszahlungen an die Zwangsdeportierten in Russland und an die Baraganverschleppten sowie an deren Kindern.
Der Parlamentarier hielt eine rührende Dankrede, als er die Ehrung seiner Familie widmete.
Würdigung Herrn Dr. B. Fabritius, Präsident des BdV

Dr. Fabritius sprach von Streichungen der unterstützenden Fonds für die Aussiedler und von weiteren Kürzungen bei zukünftigen Renteneintritten (bei Spätaussiedlern ab dem Jahr 1993) der Volksgruppen aus Ost- und Südosteuropa. Diese Bemerkungen sind sehr enttäuschend angekommen, wobei Herr Strobl noch vorhin das Wirken der Banater Schwaben als Aussiedler hochachtungsvoll würdigte.

Das Festprogramm wurde mit einem Konzert „Das Lied von Temeswar“ des Lehár-Ensembles München unter der Leitung von Dr. Franz Metz umrahmt. Lieder wie „Das Lied von Temeswar“ aus der Operette „Wo die Lerche singt“ oder zum Beispiel das „Wolgalied“ aus der Operette „Der Zarewitsch“, vorgetragen von Nina Laubenthal (Sopran), Wilfried Michl (Bariton), Wilfried Michl jun. (Tenor), Hermina Szabo (Violine) und Franz Metz (Klavier) bezauberten das Publikum.
Das Ensemble bot Musik mit echten Ohrenschmaus an. Das gebotene Programm ließ immer wieder ein Gänsehautgefühl aufkommen. Musik vom Feinsten!

Auftritt Lehár-Ensemble München

Am Pfingstsonntag fand die Heilige Messe mit dem Heimatpfarrer Markus Krastl in der Kirche St. Michael zu den Wengen statt.
Am Nachmittag herrschte lebhaftes Interesse bei der Lesung der Banater Autoren Magdalena Binder und Johann Lippet.

Vortrag im HDO München

Zwei Tage zuvor, am Donnerstag, dem 2. Juni 2022, besuchte ich das Haus des Deutschen Ostens in München. Nach der Besichtigung der Ausstellungen „Die Kinder von Föhrenwald und Waldram“ sowie „Baltikum analog“ wohnte ich einem sehr interessanten Vortrag „Johannes Künzig und das Banat. Ethnografische Forschung im östlichen Europa“ bei. Vortragender war Kevin Back. Er ist Referent des Banater Kulturwerks München. Johannes Künzig im Jahre 1897 in Pülfringen Main-Tauber-Kreis in Baden Württemberg geboren, studierte in Heidelberg und wandte sich gegen Ende der 1920er-Jahre der deutschen Volksgruppen in Ost- und Südosteuropa zu. Er bereiste in den 1930er-Jahren mehrfach diese Gebiete, um Volkserzählungen und Volkslieder zu sammeln. Die entstandenen Monografien und Bildbände, aber auch Filme und Tonaufnahmen archivierte er im Institut für ostdeutsche Volkskunde in Freiburg. Der Referent berichtete ausführlich über das Leben und Wirken – auch über die dunklen Zeiten – dieses Forschers. Die Veranstaltung leitete Frau Lilia Antipow (Leiterin Öffentlichkeits-, Medien- und Pressearbeit, Bibliothek), die den Wunsch äußerte, auch weiterhin Vorträge übers Banat auszurichten.

Ausstellung “Sklaven im Bărăgan

Auf Einladung des Generalkonsulates von Rumänien und der Landsmannschaft der Banater Schwaben des Landesverbandes Baden-Württemberg folgte ich am 20. Mai 2022 einem Event von besonderer Bedeutung. „Sklaven im Bărăgan“ heißt die Ausstellung, die an diesem Tag im Generalkonsulat in der Hauptstätter-Straße in Stuttgart eröffnet wurde. Die Ausstellung wurde von Peter Krier, Luzian Geier und unter Mitwirkung von Hans Rothgerber entwickelt und zeigt auf 18 Tafeln das Leben während der Bărăgan-Deportation in den Jahren 1951 bis 1956. Es ist ein Teil der dunklen Geschichte der Banater Schwaben, von der mein ehemaliger Heimatort Sanktandres Gott sei Dank verschont blieb.

Die Anwesenden wurden von Richard Jäger, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Baden-Württemberg, begrüßt.
Anschließend hielt per Video der rumänische Generalkonsul Dr. Radu Florea eine Ansprache.
Das Grußwort sprach Frau Iris Ripsam, Stuttgarter Stadträtin und BdV-Landesvorsitzende.
Zeitzeugen berichteten von dieser schrecklichen Zeit in der Bărăgansteppe.
Frau Anna Bartole, Jahrgang 1930 aus Lenauheim beschrieb kurz diese grausame Zeit.
Durch die Ausstellung führte Bundesvorstandsmitglied und stellv. Landesvorsitzender Werner Gilde, dessen Eltern ihre Jugendjahre als Deportierte im Bărăgan verbringen mussten.

Herr Jäger überreichte den ehemaligen Deportierten und den Menschen, die im Bărăgan geboren, schöne Blumensträuße.

Musikalisch wurde die Feier umrahmt vom Chor der Banater Schwaben des Kreisverbandes Stuttgart unter der Leitung von Wilhelm Hack und dem KlassikTrio (Klavier & Cello: Theresia Jäger, Violine: Johanna Jäger und Christine Hennrich).

Banater Chor der Banater Schwaben des KV Stuttgart mit dem Lied “O rămâi, rămâi la mine” von M. Eminescu

Mit viel Einsatz unserer Orts-, Kreis- und Landesvereine, durch eine nachhaltig überzeugende Politik, durch ehrliche und bereitwillige Berichterstattung der deutschen und rumänischen Medien können wir unsere Geschichte gestärkt darstellen und unsere Spuren von einem Erlöschen abhalten; sind es doch jene 300 Jahre unserer Identität. Irgendwann werden nächste Generationen dieses Buch der Vergangenheit gewiss wieder aufschlagen.

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