Gemeinsam für ein friedliches Europa

BdV-Kulturtagung 2024 in Stuttgart

Gemeinsam unter einem friedlichen Dach in einem vereinten Europa zu leben, ist ein Wunschdenken vieler Europäer. Vor allem die vielen Vertriebenen und deren Angehörigen in Deutschland dürften sich an ein derartiges Zukunftsbild sehr klammern. Was kann denn noch schöner sein als eine friedliche und freundschaftliche Verständigung der zahlreichen Völker auf unserem Kontinent. Deshalb schon war das diesjährige Motto der BdV-Landeskulturtagung in Stuttgart “Heimat in Europa” eine gut ausgewählte Möglichkeit, die Teilnehmer dieser Veranstaltung von Schicksalen, von Identität und Integration sowie von Versöhnungsversuchen zu unterrichten und zu begeistern. Die Veranstaltung fand am 18. und 19. Oktober 2024 im Haus der Heimat in Stuttgart statt.

Zunächst begrüßte der Landeskulturreferent Hans Vastag die Gäste der Tagung.


Sodann übergab er das Mikrofon an Hartmut Liebscher, der das Amt des BdV-Landesvorsitzenden Baden-Württemberg innehat.

Foto: BdV

Dieser sprach einen Willkommensgruß zu den Anwesenden aus und veranlasste dann ein Totengedenken, war doch vor kurzem der BdV-Ehrenvorsitzende von Baden-Württemberg, Arnold Tölg, einen Tag vor seinem 90. Geburtstag verstorben. Für seine Verdienste wurde er mit hohen Auszeichnungen geehrt. Die Vertriebenen werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Hans-Werner Carlhoff, der viele Jahre im Dienste des Landes Baden-Württemberg tätig war, referierte über Dorpat, über das heutige Tartu.

Foto: BdV

Tartu-Kulturhauptstadt 2024

Foto-Quelle: Mana Kaasik

Diese estländische Stadt liegt im Baltikum und ist dieses Jahr zusammen mit Bodø (Norwegen) und Bad Ischl (Österreich) eine der drei ernannten Kulturstädte in Europa. Dorpat/Tartu ist mit knapp 100.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes und Sitz einer, Estlands größter und ältester Universität. Von der Geschichte dieser Universität konnte der Referent viel berichten. Die Johanniskirche ist einer der Wahrzeichen dieser Stadt. Die mehr als 1.000 Terrakotta-Figuren in der Kirche sind in der europäischen Kunstgeschichte einmalig. Dorpat/Tartu und das Schicksal der Deutsch-Balten, das versuchte der Referent in seinem Vortrag zu vermitteln.

Landesobmann Klaus Hoffmann, Sudetendeutsche Landsmannschaft Landesgruppe Baden-Württemberg, sprach vom Brünner Versöhnungsmarsch als Symbol für Europas gemeinsame Zukunft.


Erstmals im Jahr 2006 startete dieser Gang, den junge tschechische Bürger auslösten. Über 27.000 Deutsche wurden im Mai 1945 im Zuge der schrecklichen Vertreibung von Brünn in Richtung österreichischer Grenze getrieben. Dabei fielen etwa 5.000 zum Opfer. In diesem Jahr begaben sich junge Menschen aus Tschechien, Deutschland und Österreich an ein Massengrab in Pohrlitz/Pohořelice und gedachten dem grausamen Brünner Todesmarsch. Ein emotionaler Weg der Erinnerung und Hoffnung ist somit getan. Damit wurde ein großer Meilenstein zur Verständigung zwischen beiden Völkern vollbracht. Natürlich wünsche man sich mehr Engagement von beiden Seiten, um schnellstmöglich eine wünschenswerte Versöhnung herbeizurufen, so der Referent.

Der Landesvorsitzende der Banater Schwaben in Baden-Württemberg und Geschäftsführer des BdV-Landesverbandes, Richard Jäger, besuchte zum ersten Mal im Jahr 2017 den kleinen Ort La Roque-sur-Pernes in der Provence. Er erzählte von seinen Erlebnissen in Südfrankreich.


Im Jahr 1944 flüchteten viele Banater Schwaben in den Westen Europas. Dabei stellten sie auch Anträge einer Einreise nach Frankreich, um in ihr Ursprungsland Lothringen zurückzukehren. Aufgrund dessen siedelten Dank eines Blumenthaler Landsmannes, Johann Lamesfeld, zwischen 1950 und 1960 über 30 Familien von Österreich nach Frankreich. Der damalige französische Ministerpräsident Robert Schuman hat dies ermöglicht. Er war damals schon ein Verfechter eines vereinten Europas. In den sechziger und siebziger Jahren feierte man in dem kleinen Ort von etwa 450 Einwohnern Kirchweih wie einst im Banat. Die Jugend von La Roque-sur-Pernes versteht heutzutage noch die deutsche Sprache, spricht aber nur noch Französisch.

Im Anschluss sprach Katharina Töpfer, eine Russlanddeutsche, aus ihrem Leben in Zentralasien und aus heutiger Sicht in Deutschland.


Sie wurde 1947 in Orlowka im Talas-Tal, Kirgisien, geboren. 1958 zog sie mit ihrer Familie nach Michailowka um. In Pawlodar unterrichtete sie an der Pädagogischen Hochschule. 1992 machte sie im Rahmen eines Projekts zur Zusammenarbeit zwischen Schulen in Mittel- und Osteuropa ein Praktikum als Deutschlehrerin. 1994 übersiedelte sie nach Deutschland. Hier begann Katharina Töpfer eine dreijährige Ausbildung zur staatlich examinierten Altenpflegerin. Diesen Beruf übte sie bis zur Rente mit Erfolg aus. Im Haus der Heimat zeigte sie einige Bücher, die ihr von großer Bedeutung sind. Sie wies auch auf mangelnde Belehrung in deutschen Schulen bezüglich Vertreibung und Flucht aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten hin, die das Unwissen der heutigen Jugend zu dem Thema “Vertreibung” sehr schmälere und aufgrund dessen nicht richtig sei.

Der zweite Tag* begann mit einem Vortrag von Daniel Frey über „Europa nach der Wahl und in den Medien“.


Frey beleuchtete die medialen Herausforderungen und Veränderungen in Europa nach den letzten Wahlen und die bevorstehenden Umstrukturierungen der öffentlichen Medien, besonders der Rundfunkanstalten in Deutschland.

Carsten Eichenberger, M.A., widmete sich dem 300. Geburtstag des Philosophen Immanuel Kant.


In seinem Vortrag „Fragen Sie doch den Weltbürger aus Königsberg“ würdigte er Immanuel Kants Rolle als eine Figur, die wie kaum eine andere für die europäische Aufklärung steht und bis heute von großer Bedeutung ist.

Fotos zu den Beiträgen: Cornel Simionescu-Gruber

Nach dem Mittagessen folgte ein Vortrag von Dr. Hartmut Knopp, der über Schüleraustausche und Hilfsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche in der Ukraine, der Dobrudscha und der Republik Moldau berichtete. Dabei hob er die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und humanitärer Hilfe für diese Regionen hervor.

Den Abschluss der Tagung bildete der Vortrag von Hans Vastag über Hatzfeld, einen multikulturellen Ort in Rumänien mit dem heutigen Namen Jimbolia. In seinen Schlussworten fasste Vastag die zentralen Themen der Tagung zusammen und betonte, wie wichtig es sei, weiterhin Brücken zwischen den Kulturen Europas zu bauen, um die Heimat für kommende Generationen zu bewahren und neu zu gestalten.

Was die diesjährige Kulturtagung noch zu bieten hatte: Der erste Tag der Veranstaltung endete mit einem Klassikkonzert. Der musikalische Abend betitelte sich “Klänge der Heimat”. Das Lehár-Ensemble aus München unter der Leitung von Dr. Franz Metz und Nina Laubenthal (Sopran), Wilfried Michl jun. (Tenor), Wilfried Michl (Bariton) und Hermina Szabó (Violine) begeisterte auch dieses Mal das Publikum. Auf dem Programm standen Komponisten, die etwas mit dem Banat zu tun hatten. Dr. Franz Metz wusste zu jedem Tonschöpfer etwas zu berichten.

Videos: J. Janzer

Die Stücke “Romance” und “Rondo” von Rudolf Novacek dürften Erstaufführungen gewesen sein, da diese Werke erst unlängst entdeckt wurden.

Ausschnitt: “Rondo”

“Grüßt mein Banat” von Emmerich Bartzer war wohl wieder der Hit des Abends. Das Lied verleitete die Anwesenden zu einem puren Gänsehautgefühl.

Ausschnitt: “Grüßt mein Banat”

Die Tagung bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vielseitige Einblicke in die Vielschichtigkeit des Heimatbegriffs und eröffnete neue Perspektiven.

*Der Beitrag wurde mit einem Bericht vom 2. Tag der Tagung von Ines Kohm unterstützt.

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