Klassik aus Südosteuropa

Mit Unterstützung des Innenministeriums von Baden-Württemberg, des Bundesministeriums für Kultur und Medien, der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland, der Heimatgemeinschaft der Deutschen aus Hermannstadt sowie der Kiliansgemeinde Heilbronn fand die 38. Musikwoche Löwenstein statt. Die Musikwoche wird von der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im Südöstlichen Europa e. V. getragen.

Entdecken – Bewahren – Erleben!

Der Verein GDMSE e. V., deren Vorsitz zurzeit der Banater Organist und Musikwissenschaftler Dr. Franz Metz innehat, setzt ehrgeizige Ziele wie zum Beispiel eine jährliche Veranstaltung einer Musikwoche, bei der Werke von deutschen Komponisten aus Südosteuropa erarbeitet und aufgeführt werden; Herausgabe von Noten, Schriften und Tonträgern; Aufarbeiten und Sammlung von Musikdokumenten; kulturellen Austausch zwischen Südosteuropa und Deutschland zu fördern etc. Somit setzt sich der Verein ausschließlich für die Musikkultur deutscher Völkergruppen in und aus Südosteuropa ein.

Die Musikwoche Löwenstein hat Tradition

Die Musikwoche findet seit vielen Jahren in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein statt. Die Stadt Löwenstein liegt 20 Km südöstlich von der baden-württembergischen Großstadt Heilbronn entfernt. An dieser Veranstaltung, die alljährlich in der nachösterlichen Woche stattfindet, nehmen jährlich bis weit über 100 begeisterte Laienmusikerinnen und Laienmusiker aller Altersgruppen teil, die unter erfahrenen Dozenten vor allem Musik von deutschen Komponisten aus Südosteuropa erarbeiten und aufführen.

Abschlusskonzert in Heilbronn

  Am 6. April 2024 bot das Chor- und Orchesterkonzert zum Abschluss der Musikwoche in der vollbesetzten Kilianskirche (s. Foto) in Heilbronn dem begeisterten Publikum ein klangschönes Musikerlebnis auf hohem Niveau. Die Leitung des Ensembles der Musikwoche Löwenstein hatte der Dirigent Dr. Andreas Schein aus Temeswar. Er ist gebürtiger Temeswarer (*1997) und hat ein Studium als Orchesterdirigent an der Musikhochschule seiner Heimatstadt abgeschlossen. Er ist auch als Musikwissenschaftler und Herausgeber tätig. Dirigent der Musikwoche Löwenstein ist er seit 2023.


Besonders in guter Erinnerung dürften viele Banater Schwaben den Dirigenten haben, als er im Oktober vergangenen Jahres an der Nationaloper in Temeswar die Uraufführung der Operette „Grüßt mein Banat“ von Emmerich Bartzer dirigierte. Da nur eine Klavierfassung des Werkes überliefert ist, hat Andreas Schein diese Operette innerhalb von einem Jahr vollständig für Symphonieorchester orchestriert. Nach der Uraufführung der Operette 2023, die in rumänischer Sprache über die Bühne ging, kam in der Kilianskirche nach der Ouvertüre erstmals eine in Deutsch gesungene Version zur Austragung. Welch ein Gefühl dürfte wohl Emmerich Bartzers Enkel, Adrian Nucă-Bartzer, erlebt haben, der unter dem begeisterten Heilbronner Publikum weilte und den wunderschönen Klängen in der Kirche lauschte. Die Handlung der Operette thematisiert die Kinderlandverschickung in den 1920er Jahren, als Teenies aus Österreich und Deutschland ihre Ferien „zum Aufpäppeln“ im Banat verbringen durften. Heute in der Kirche fühlte es sich nach einem Aufpäppeln unserer Seele an. Das war es allemal. Ich verspürte ein außergewöhnliches Gänsehautgefühl (Foto: HOG Sanktandres).

Die Suite für Orchester „Leben auf dem Lande“ (Viaţa la ţară) von Hermann Klee mit dem „Tagesanbruch“, „Auf dem Feld“, „Im Dorf“ und „Fröhliches Beisammensein und Tanz“ hinterließ einen folkloristischen Geschmack der rumänischen Musikwelt. Das erlebte Leben auf dem Land dürfte doch so manchem emigrierten Rumäniendeutschen in Erinnerung geblieben sein. Die stimmungsvolle sinfonische Suite wurde 1953 vom Orchester der Temeswarer Oper uraufgeführt. Hermann Klee, der 1883 in Rendsburg bei Hamburg geboren wurde, zehn Jahre in Siebenbürgen lebte und jahrzehntelang in Klausenburg als Dirigent des Opernchores wirkte, komponierte u. a. die Märchenoper „Făt frumos“ oder auch viele deutsche und rumänische Lieder und Klavierstücke. In Temeswar heiratete er Rosalia Lorenz, eine Sängerin im Opernchor. Seine Familie lebt heute in Deutschland.

  „Wir wollen alle fröhlich sein“, eine Uraufführung des Osterchorals in sechsstimmiger Bearbeitung von Brita Falch Leutert (*1966), erklang als nächster Programmpunkt. Brita Falch Leutert kommt aus Norwegen und ist seit 2015 Kantorin an der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt. Das Stück (Melodie: 15. Jh. / bei C. Spangenberg 1568, Text: nach dem lat. Resurrexit Dominus / 15 Jh. bei C. Spangenberg) dirigierte Andrea Kulin. Sie wurde in Kronstadt geboren. Sie ist seit vielen Jahren Leiterin der Siebenbürgischen Kantorei. Für viele Banater dürfte der Chorauftritt der Kantorei unter ihrer Leitung in der Zeit der Heimattage der Banater Deutschen 2023 in der Temeswarer Synagoge in Erinnerung sein.

Chorauftritt der Siebenbürgischen Kantorei, Leitung Andrea Kulin im Jahr 2024 in der Kilianskirche in Heilbronn.
Auftritt Jugendchor der Musikwoche Löwenstein 2024 in der Kilianskirche.
Fotos: HOG Sanktandres

Wilhelm Franz Speer (1822 – 1898) war Domorganist und Domkapellmeister in Temeswar, aber auch Chorleiter des Temeswarer Philharmonischen Vereins. Er schrieb geistliche Werke. Der Jugendchor der Musikwochen unter der Leitung von Markus Piringer präsentierte die „Hymne“, in der W. F. Speer den Ruf der Engel „Ehre sei Gott in der Höhe“ mit einem eigenen Text, der den Wunsch nach Frieden zum Ausdruck bringt.
Durch die Operette „Mädel aus dem Kokeltal“, die auch in Deutschland erfolgreich war, wurde der Siebenbürger Richard Oschanitzky (1901 – 1971) berühmt. Er war an verschiedenen Orten in Deutschland, Siebenbürgen, dem Banat und Rumänien künstlerisch tätig. In dem Abschlusskonzert in Heilbronn erklang eine Vertonung des 5. Schilfliedes von Nikolaus Lenau, vorgetragen vom Jugendchor.

Peter Rohrs (1881 – 1956) „Missa Jubilet“, auch als „Kirchweihmesse“ bekannt, bildete den Abschluss des großartigen Konzerts im Rahmen der Löwensteiner Musikwoche 2024. P. Rohr ist gebürtiger Darowaer. In Reschitza prägte er Jahrzehnte das Musikleben dieser Stadt. Das stimmungsvolle Werk „Missa Jubilet“ in D-Dur op. 20 für Chor, Soli und Orchester, das in seiner Melodieführung und Dramatik deutliche Anklänge romantischer Opern des Belcanto erkennen lässt, ließ die Stimmen der Solisten deutlich zur Geltung kommen. Die Sopranstimme war von Bettina Meltzer besetzt. Jasmin Hofmann (Mezzosopranistin), Hans Straub (Tenor) und Johannes Dasch (Bariton) überzeugten mit ihren Auftritten. Konzertmeister war Ilarie Dinu. Er ist Geiger bei der Neuen Philharmonie Westfalen und Musikpädagoge.

Kurzausschnitte aus dem Chor- und Orchesterkonzert “Musik deutscher Komponisten aus Südosteuropa”

Die Bereitschaft des gesamten Ensembles der Musikwoche Löwenstein mit einer gewünschten Zugabe an das Konzertpublikum zu treten, machte diese Veranstaltung noch viel attraktiver. Einen derartigen Ohrenschmaus sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen. Der Konzertabend verging viel zu schnell. Als Trost erwarb ich anschließend ein Autogramm von dem jungen Künstler Andreas Schein. Ich bin fest überzeugt: Dem jungen Musiker steht eine große Karriere bevor.

„Ohne Musik wär’ alles nichts.“

Ein Zitat von Wolfgang Amadeus Mozart

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