Sanktandres im Blickpunkt des Geschehens

Dr. Josef Griesmayr (* 1925) aus Österreich wollte seine Erlebnisse Ende des Zweiten Weltkrieges, nämlich seine Flucht von der mörderischen Front in die Heimat, einen Weg, der über das Banat führte, seinen acht Enkelkindern (David, Maria, Cornelia, Albert, Matthias, Johanna, Martina, Veronika) akustisch hinterlassen. Als im Jahr 1986 sein Krankenzustand sich sehr verschlechterte, besprach er mehrere Tonbänder mit seinen Fluchterlebnissen. 30 Jahre brauchte sein Sohn Dr. Norbert Griesmayr, um diese Aufnahmen anzuhören, denn zu sehr bewegte ihn die Stimme des todkranken Vaters. Im Jahr 2022 – nach mehr als drei Jahrzehnten – transkribierte er schließlich die Ereignisse, die ihm der Vater einst erzählte.

„Euer Opa hat während des Krieges ein äußerst schweres Jahr durchgemacht. Ich erzähle euch davon nicht der Sensation wegen, sondern weil ich gerade in dieser Zeit von Feind und Freund sehr viel Liebe erfahren habe …“ erzählt der Großvater, der mit zwei Freunden flüchtete und fest überzeugt ist, dass zu jener Zeit eine schützende Hand über ihn wachte.

Im Alter von 18 Jahren wurde er als junger Gymnasiast in den abscheulichen Krieg eingezogen und war plötzlich an der grausamen Kriegsfront. Die Erzählungen in dem Buch „Mensch im Krieg“ beginnen ab dem 28. November des Jahres 1944 und handeln von seiner Gefangennahme, von der geglückten Flucht und von der Rückkehr nach Hause, nach Pram in Oberösterreich.

Im Dezember 1944 war er in einem Gefangenenlager in Temeswar interniert. Er konnte somit die Deportation der Banater Schwaben im Januar 1945 nach Russland mit verfolgen. Im Februar 1945 nutzte er die Gunst der Stunde und flüchtete mit seinem Freund Lois aus dem Lager. Auf dem Fluchtweg auf der Puszta/Hottar (Flachland zwischen Temeswar und Sanktandres/Neubeschenowa) zeigten ihnen rumänische Schafhirten auf Ortschaften, die von deutschen Zivilisten bewohnt waren. In völliger Dunkelheit erreichten sie am Rande des Dorfes ein Haus mit Sanktandreser Frauen und ihren Kindern. Viele Männer waren bereits nach Russland verschleppt. Die hilfsbereiten Frauen bewirteten die zwei Männer. Sowjettruppen hausten schon längst im Dorf. Antonia Klein („Tontschi“) versorgte die „Buwe“ (Jungs) mit Essen. Da Lois starke Kopfschmerzen hatte, musste er von einem Arzt in Beschenowa behandelt werden. Als Frauen verkleidet erreichten die jungen Männer das Ziel im Nachbarsort. In nächster Zeit wollten die Männer sich in Tontschis Haus nützlich zeigen und trennten (“riwwelten”) mit einer Maismaschine den Kukuruz (Mais) von den Kolben. Sie erlebten die „Gritsche“ (Feldhamster), sie lernten die in Allee stehenden Maulbeerbäume und deren schmackhaften Maulbeerfrüchte kennen. Die Landungen der Klapperstörche auf den Giebeln der Bauernhäuser beeindruckten die Männer sehr. Josef Griesmayr berichtet auch von der hilfsbereiten Andresrin Kathi Anhalt. Der Bekanntenkreis wuchs von Tag zu Tag. Die Schönsköpflgeschwister und die „Tille“ (Familie Till) versorgten fürsorglich Pepi und Lois. Sie lernten Schneider Leni, Noll Leni, Reis Kathi, die “Fedrichs” (Familie Fedrich) und den Frisör Römer kennen. Sie setzten sich immer wieder mit den Nachbarn zusammen. Selbst mit russischen Soldaten waren zeitweise Gespräche möglich. Als einige Sanktandreser Lois fragten, wer er denn sei, erwiderte der selbstsicher: „Ich bin aus Andres.“ Da sagten diese: „Nee, du bischt net vun do. Des heescht net ,Ich bin vun Andres`, mr soot ,Ich sin vun Andres.‘‘‘ Und was es in Andres noch gab: Froschschenkel. Beim “Goschi” (Goschy) wurden gefälschte Entlassungspapiere mit einer „Stampiglie“ (Siegel) gefertigt. Nun ging es von Beschenowa nach Tschanad. Mit Hilfe eines Zigeuners und einer Banater Schwäbin überquerten die Flüchtlinge die rumänische Grenze. Über Ungarn erreichten sie mühsam ihren Heimatort.
Josef Griesmayr studierte nach dem Krieg in Innsbruck Medizin. Er war Arzt mit voller Leidenschaft. „Arzt zu sein und Gutes zu tun, war seine Lebensaufgabe“, so der Sohn Dr. Norbert Griesmayr.

Was für ein Zufall! Der Autor des Taschenbuches „Menschen im Krieg“ nahm mit der HOG Sanktandres Kontakt auf. Rein zufällig googelte er im Internet und stieß auf unsere Website www.sanktandres.eu.

Von: Norbert Griesmayr
Betreff: Kriegsjahre in Sanktandres

Nachrichtentext:
Mein Vater hatte einige Monate der Jahre 1944 und 1945 in Sankt Andres verbracht, versteckt bei den dortigen Volksdeutschen. Es gibt ein Buch darüber (er erzählt authentisch seine Kriegserinnerungen), welches aus meiner Sicht historisch wertvoll und vielleicht für Sie und die heutige Bevölkerung dort interessant ist.
Gerne sende ich Ihnen ein Exemplar zu. Sie finden es aber auch bei Amazon, hier der Link:
www.amazon.de/Mensch-Krieg-Kriegserlebnisse-Josef-Griesmayr/dp/B0BQ9HN87G

Beste Grüße aus Wien!
Norbert Griesmayr 

Antwort:

Sehr geehrter Herr Griesmayr,

das Buch ist für uns Andreser sehr wertvoll. Was für eine Geschichte! Die Personen, die in diesem Transkript erwähnt sind, sind uns alle bekannt. Es sind doch unsere Andreser Landsleute. Das Buch ist für mich sehr faszinierend, sobald meine Kindheit dadurch wiederbelebt wird. Auch ich drehte an der Maismaschine, auch mir schmeckte die Maulbeerfrucht, auch in unserem Garten waren die „Gritsche“ zu Hause usw. In meinen Kinderjahren spielte ich tagelang im Hof meiner Großtante Schneider Leni. Sie war die Schwester meiner Großmutter mütterlicherseits. Der Friseur Römer Jakob war der Schwager meiner Großmutter. Er ist im Jahr 1959 nach Nordrheinwestfalen zu seiner Tochter ausgereist. In den 60er Jahren besuchte er uns immer wieder in Andres. Die umliegenden Ortschaften wie Neubeschenowa, Mercydorf, Orzydorf, Semiklosch, Tschanad, unsere Banater Landeshauptstadt Temeswar und nicht zuletzt das Banat sind für uns Sanktandreser und alle Banater Schwaben ein tiefgreifender Begriff.

Sehr geehrter Herr Griesmayr, „ich sin e Andreser.“ Dr. Anton Schulter, als langjähriger Seelenhirt in Sanktandres, der seine „Schäflein“ gut kannte, hat uns Andreser als einen Schlag Menschen „… ohne protzigen Dünkel …“, die keine ernsten Klassengegensätze kannten und mit denen leicht auszukommen sei, charakterisiert. Dass er Recht hatte, widerspiegeln die Erzählungen Ihres Vaters.

Herzliche Grüße
Johann Janzer 


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