Zeppelin-Luftschiffhafen in Sanktandres

Es sind bzw. kommen diesbezüglich neue Bücher auf den Markt!

In der Zeit des Ersten Weltkriegs, genauer ausgedrückt zwischen Herbst 1915 bis zum Frühjahr 1917, existierte vor der Einfahrt in das banatschwäbische Dorf Sanktandres, das etwa 12 Kilometer von Temeswar liegt, ein Zeppelin-Luftschiffhafen.

Überlieferte Erinnerungen

In meiner Kindheit, aber auch danach wurde noch sehr viel darüber gesprochen und berichtet. Aufgrund mehrerer Berichterstattungen der älteren Ortsbewohner begaben sich die Kinder meiner Generation in den 1960er-Jahren immer wieder in diese Gegend und staunten über die Fundobjekte auf der Weide vor unserem Heimatdorf. Stillgelegte bzw. beschädigte Wasserbecken deuteten dort auf ein reges und fortgeschrittenes Treiben zu jener Zeit hin. Eine sonderbare Wasserquelle sprudelte damals noch aus dem sehr salzhaltigen Boden, wo in einem bestimmten Zeitraum des Ersten Weltkriegs ein Zeppelin-Luftschiffhafen vorhanden war. Unsere Großeltern erinnerten sich an diesen Zeitabschnitt und erzählten auch von einem Absturz eines Zeppelin-Ballons sowie auch von der Stilllegung dieses Militärstützpunktes. Überreste wurden nachher abgebaut und freigegeben und fanden somit Verwendung in dem einen oder anderen bäuerlichen Haushalt. Der militärische Luftschiffhafen bei Temeswar, der im Herbst 1915 unter dem Tarnnamen „Adebar“ aufgebaut wurde, beinhaltete einen riesigen Luftschiffhangar, Werkstätten und Lagerräume. Für die Gasproduktion entstand ein Gasflaschenschuppen. In einem großen Keller soll man die Bomben unter Verschluss aufbewahrt haben. Wirtschaftsräume und andere Einrichtungen kamen hinzu, ein Maschinenraum mit Elektromotor und Generator lieferte den notwendigen Strom usw. Es wurde in meinen Kinderjahren erzählt, dass von den Intellektuellen dieser Station eine Vorführung von elektrischem Strom im Sanktandreser Gemeindehaus stattfand, während im Ort die Petroleumlampe noch allgegenwärtig war.

Tatsachen der Sanktandreser Geschichte im Blickpunkt

Matthias Weber und Dr. Anton Petri, die Autoren unseres Sanktandreser Heimatbuches, listen von Seite 162 bis Seite 170 einige Ereignisse der großen deutschen Zeppelinhalle an der Südseite unseres Heimatdorfes auf. Auch der Banater Heimatforscher Heinrich Lay berichtet in seinen Sanktandreser Heimatblättern 4 und 5 (Jahr 1999 und Jahr 2001) eindringlich von dieser Zeit des Zeppelin-Luftschiffhafens in seinem Heimatort Sanktandres. Dem Absturz der LZ 86 am 4.9.1916 schenkt er viel Platz und nennt auch Augenzeugen, die von diesem schrecklichen Ereignis ihm ausführlich berichteten. Bei dieser Zeppelin-Katastrophe bezahlten 9 Mann mit ihrem Leben.

Die getöteten Offiziere Walter Wolff, Brenner, Kramer und Köstlich wurden in die Heimat überführt. Laut der Grabplatten (5+1) auf dem Temeswarer Friedhof in der Lippaer Straße fanden hier die Besatzungsmitglieder Otto Schienkler, Karl Reimer, Jacob Renz, Franz Thomsen und Georg Trüb ihre letzte Ruhe. Die 6. Grabplatte ist für Ob. Steuermann Max Schmidt, der am 2. März bei einem Zeppelineinsatz umgekommen war (lt. Bericht ADZ v. 5. 2014)

Heinrich Lay erwähnt auch zwei Unteroffiziere der Truppe, die sich in der Zeppelinhalle befanden und sich mit Sanktandreserinnen verheiratet haben. Der Zugsführer Anton Lenio (*1891) heiratete Susanne Liesz. Sie wurden am 14. Januar 1917 in der Sanktandreser Pfarrkirche getraut. Die Trauzeugen waren Michael Kollmann (Landwirt) und seine Frau sowie Johann Jobb (Fleischhauer) und seine Frau (siehe Foto zugesandt an Heinrich Lay von Hans Jobb, Jahrgang 1925). Auch der Feldwebel Leo Wild (*1891) heiratete eine Sanktandreserin, und zwar die am 6. Februar 1897 geborene Anna Klein.

Hochzeitsbild des Anton Lenio und der Margarethe Liesz

Im Sanktandreser Vereinsblatt Nr. 24, Jahr 2021 berichtet der Sanktandreser Thomas Pataki in einem kurzen Exkurs über die Rolle, die sein Heimatdorf im Ersten Weltkrieg einnahm, und weist auf die strategische Stationierung des Zeppelin-Luftschiffhafens hin. Dem Bericht wurde Material („Das interessante Blatt“ vom 25.11.2015) von Hans-Jürgen Wolf beigefügt.


Neuigkeiten aus der Zeit des Fortschritts Anfang des 20. Jahrhunderts

Das ADZ-Jahrbuch 2022 ließ viele Leser aufhorchen, als die Redakteurin der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, Raluca Nelepcu, ein ausführliches und sehr interessantes Gespräch mit Dr. Jörg Biber führte, dessen Vater, Paul Biber, Feinmechaniker und als Luftschiffer auf dem Zeppeliner Luftschiffhafen in Sanktandres wirkte. Unsere Website brachte am 9. März 2022 unter dem Titel Sanktandres im Jahrbuch 2022 vertreten diesbezüglich einen kurzen Bericht.

Bedeutsame Bücher vom ersten Luftschiffhafen Temeswar/Timișoara erschienen

Der Dresdner Autor Dr. Jörg Biber legte im Jahr 2021 ein Werk vor, das vor allem auf Fotografien und Aufzeichnungen seines Vaters Paul Biber (1891-1957) beruht. Dieser war in den Jahren 1915 und 1916 auf dem Luftschiffhafen Szentandrás/Sanktandres nördlich von Temesvár/Temeswar, damals im Reich Österreich-Ungarn, tätig. Der Band wurde in englischer Sprache unter dem Titel „Szentandrás Airship Base near Timisoara, Code Name ADEBAR 1915 and 1916“ veröffentlicht. Übersetzerin ist Catherine Lawier. In den zwölf Kapiteln des Werkes widmet der Autor sich der Geschichte der Zeppelin-Luftschiffe. Er erzählt von dem „Königlich Sächsischen Feldtrupps für Luftschiffe Nr. 14“, aber auch vom Bau des Luftschiffhafens Szentandrás/Sanktandres/Sânandrei räumt er sehr viel Platz ein. Er beschreibt die Verlegung des Heeres-Zeppelins LZ 81 nach Sanktandres 1915 und dessen Operation dort bis zu seiner Rückverlegung nach Dresden. Der Zeitraum der Stationierung in Sanktandres und die Einsätze einiger Luftschiffe werden detailliert beschrieben. Im Kapitel 10 wird die Biographie von Paul Biber einschließlich der verschiedenen Stationen seiner Laufbahn bei der Armee vorgestellt. Das letzte Kapitel des Buches umfasst ein mit dem Autor Dr. Jörg Biber geführtes Gespräch, wo seine Bemühungen zum Erhalt der Geschichte des Luftschiffhafens bei Temeswar zum Ausdruck kommen. Das Buch kann man über AMAZON – Aeronaut Books, 194 Seiten, 277 Fotos, 27 in Farbe, 54 Grafiken, Format 27,8 x 21,6 cm, ISBN 9778-1953201294, 49,99 USD beziehen.         

Im November 2023 veröffentlichte die Rumänische Akademie Klausenburg (Cluj-Napoca) mit simultaner Übersetzung vom Deutsch ins Rumänische das äußerst interessante Buch „Erlebnisse von Feinmechaniker Paul Biber als Luftschiffer auf dem Luftschiffhafen Temeswar (1915 und 1916)“, von Dr. Jörg Biber. Herausgeber ist Prof. Dr. Rudolf Gräf. Die Übersetzung aus dem Deutschen ins Rumänische vollbrachte Raluca Nelepcu. Die Redaktion leitete Virgil Leon, während das Grafikdesign Cosmina Varga innehat. Druck: Printed in Romania by SC Tipografia HONTERUS SRL Sibiu. Dr. Jörg Biber ist beruflich in die Fußstapfen seines Vaters gestiegen, erlernte einen Metallberuf, war Ausbilder, wurde mit dem Abschluss Diplomingenieurpädagoge und promovierte später an der TU Dresden und bemühte sich – wie sein Vater – reichlich zu publizieren. Er recherchierte das Wirken seines Vaters an der Deutschen Uhrmacherschule bis hin zum Aufbau der Ingenieurschule für Feinwerktechnik. Dabei stieß er auch auf einzigartige Unterlagen mit sehr viel Fotomaterial seines Vaters zu dessen Zeit als Luftschiffer auf dem Luftschiffhafen auf der Sanktandreser Weide bei Temeswar/Timișoara. Wohl gemerkt: Es ist der erste Temeswarer Flughafen, der vor 109 Jahren gebaut und fast zwei Jahre rege fungierte. In dem Band wird die Notwendigkeit dieses Luftschiffhafens im Ersten Weltkrieg im Banat geschildert. Die Idee zum Bau eines Luftschiffes von Graf Ferdinand von Zeppelin (1838-1917) wird ebenfalls umfangreich erläutert. Die Verlegung des „Königlich Sächsischen Feldtrupps für Luftschiffe Nr. 14“ und die Errichtung des Luftschiffhafens mit den notwendigen Einrichtungen auf dem Fluggelände von Sanktandres werden ausführlich beschrieben. Sogar die Zugfahrt zum aufbauenden Luftschiffhafen Sanktandres-Temeswar wird dargestellt, das gute Verhältnis der Feldtruppe zu den Sanktandreser Bewohnern findet man unter schön illustrierten Seiten, und natürlich auch von der Stationierung sämtlicher Luftschiffe wird eingehend berichtet. Luftschiffe – das vorläufige Ende einer progressiven Entwicklung des Zeppelin-Luftschiffprojektes und die Spurensuche nach Fragmenten der Existenz vom Luftschiffhafen von Sanktandres/Szentandrás/Sânandrei bei Temeswar (Ergebnisse des tschechischen Historikers Jiří Ráčil) schließen die Berichterstattung dieser sonderbaren Zeit vor den Toren der Banater Landeshauptstadt. Das Buch wurde im November 2023 von Prof. Dr. Rudolf Gräf im deutschen Kulturzentrum „Alexander Tietz“ in Reschitza vorgestellt.


Obwohl das Attentat von Sarajewo im Juni 1914 auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger und seine Frau auf dem Balkan stattfand und als Auslöser des Ersten Weltkriegs gilt, ist im deutschen wie auch im rumänischen Sprachraum eigentlich viel zu wenig über die Kriegsschauplätze auf dem Balkan bekannt. Die wenigsten Menschen wissen, dass bei diesem Krieg über dem Balkan deutsche Luftschiffe zum Einsatz kamen. Mit einem neuen Buch „Luftschifffahrt über dem Balkan 1915 – 1918“ von Dr. Jörg Biber, das im Frühjahr (voraussichtlich im April/Mai) dieses Jahres erscheinen wird, soll die Lücke diesbezüglich geschlossen werden. Vorbestellungen nimmt der Verlag unter Buchbestellung@mediascript.de  schon jetzt gern entgegen. Vor allem sehr interessant scheinen mir der Bau eines Luftschiffhafens an der südlichen Ortseinfahrt von Sanktandres (12 Km von Temeswar) und die Stationierung eines Feldtrupps und dessen Wirken auf dem Sanktandreser Gelände. Viele recherchierte Originaldokumente, von Experten bereitgestellte Unterlagen und Fotos sowie die gut erhaltenen foto- und schriftdokumentarischen Unterlagen von Paul Biber einbezogen (409 Fotos, 16 Übersichten, 8 Farbprofile und 19 Grafiken, Feldpostkarten und Briefe) deuten auf ein einzigartiges Werk zu dieser Thematik hin.

Dr. Jörg Biber ist Prof. Dr. Gräf, Werner Kremm (Autor und Journalist), Raluca Nelepcu (Journalistin), Siegfried Thiel (Redaktionsleiter der Banater Zeitung) usw. dankbar für die Unterstützung und Zusammenarbeit zu den Veröffentlichungen seiner Publikationen sowie für die weiteren Vorhaben im Rahmen des Temeswarer Flughafenprojekts.

Vorausschauend und beachtenswert: Flugbetrieb seit 110 Jahren in Temeswar im Jahr 2025!
Ein gewisser Stolz baut sich bei uns Banater Landsleuten auf, da der Flughafen Temeswar einer der ersten Flughäfen auf dem ganzen Balkan war.

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Ein neues Buch “Das Seeflugzeug-Versuchs-Kommando Warnemünde” von Dr. Jörg Biber kann man nun auch in deutscher Sprache erwerben, nachdem es im Jahr 2021 in englischer Sprache erschienen ist. Das vorliegende Buch gibt einen detaillierten Einblick in die unterschiedlichen Arbeiten beim SVK Warnemünde.

Bewertung durch Jörg Mückler (Buchautor u.a. “Deutsche Flugzeuge im Ersten Weltkrieg”, Motorbuch-Verlag Stuttgart 2013) in der Zeitschrift “Klassiker der Luftfahrt – 5/2023

Das Buch ist zurzeit über Amazon beziehbar – die deutsche Fassung kann aber auch vom Verlag direkt bezogen werden. Das Seeflugzeug-Versuchs-Kommando Warnemünde, Dr. Jörg Biber, Verlag MediaScript 2023, 306 Seiten, 357 Fotos, 45 Farbprofile deutscher Marineflugzeuge, 47 Zeichnungen, dutzende Grafiken, mittels QR-Codes verknüpfte Videoclips von digitalisierten Originalfilmaufnahmen, 34,50 €.

Der Schatz, den diese oben genannten Bücher wirklich interessant machen, sind die bisher unbekannten und unveröffentlichten Fotos und die zahlreichen Dokumente, die das Leben und Wirken der Zeppelin-Luftschiffer darstellen. Damit wird auch eine äußerst interessante Banater Geschichte ins Rampenlicht gestellt. Diese Bücher kann ich nur empfehlen, denn man wird bestimmt seine Freude daran haben.  

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