Von heimatlichem Feeling überwältigt

Ein Tag in Sanktandres

Eine Woche nach Pfingsten waren im Rahmen des europäischen Kulturhauptstadtjahres 2023 in Temeswar die Heimattage der Deutschen im Banat angesetzt.
Viele Heimatortsgemeinschaften nutzten die Gelegenheit und organisierten viele Veranstaltungen in den Gemeinden ihrer Herkunft. Bakowa feierte eine Woche schon davor ein Kirchweihfest, die Sackelhauser erinnerten an die Einweihung ihrer Sankt Michael Kirche von 1772, die Neupetscher (auch Ulmbach genannt) feierten 300 Jahre “Ujpetsch”, die Jahrmarkter feierten 250 Jahre Kirchenweihe, die Lenauheimer erinnerten an die 255 Jahre seit der Gründung Lenauheims usw.
Es ist ja bekannt, dass wir Andreser schon immer “die letschte im Kulenner wore”, hieß es doch: Wann’s stürmt und schneit ist die Andreser Kerweih nicht mehr weit.” Damit sind wir eigentlich bisher gut gefahren. So auch diesmal geschehen.
Die Heimatortsgemeinschaft beschloss an Fronleichnam (8. Juni 2023) ein bescheidenes Fest in dem heutigen Sânandrei/Sanktandres zu veranstalten. Wir setzten gezielt auf eine Begegnung der ausgewanderten Banater Schwaben mit der heutigen Bevölkerung des Ortes. Ein harmonisches Miteinander mit europäischen Idealen wurde angestrebt. Darum auch die bewusst angebrachte Devise unserer Veranstaltung “Sanktandres – auf europäischem Weg.” Wir wollten aber auch unter uns bleiben. Das heißt, keine Unterstützung von anderen Vereinen oder Institutionen. Wir planten einen Gottesdienst mit einer kleinen Fronleichnamspozession im Sanktandreser Gotteshaus, Kranzniederlegungen am Kriegerdenkmal und an der Gedenktafel der Opfer der Russlanddeportierten, ein gemeinsames Mittagmahl, ein Besuch in unserer ehemaligen Schule, ein Gang zu unseren Verstorbenen zum Friedhof sowie eine Feierlichkeit mit einem Kulturprogramm in der Dorfmitte. Klein aber fein. Unser Wettergott Petrus stand uns dann auch noch zur Seite. Er scheint ein Sanktandreser zu sein; zumindest mit Andreser Wurzeln.


Die Fahrt nach Sanktandres

Viele Landsleute übernachteten im Hotel Ibis in der Temeswarer Innenstadt. Für den frühen Morgen stellte uns Frau Ramona Lambing (Reisebüro Passage-Travel Concepts) einen Bus zur Verfügung. Viele Andreser folgten dem Aufruf des HOG-Vorstandes und gesellten sich zu einer gemeinsamen Fahrt von Temeswar nach Sanktandres.
Im Bus hatte man schon ein seltsames Gefühl, wussten wir doch alle, dass uns an diesem Tag etwas Besonderes erwartet. Man stimmte das Lied “Ich bin ein Heidekind, ein Kind aus dem Banat” an und allen Reisenden war bewusst: Wir werden heute tatsächlich in der Banater Heide wieder feiern.

Ein Haus voll Glorie schauet

Mit diesem Lied wurde das vollbesetzte Gotteshaus zu einem Hochamt, zelebriert von Msgr. Johann Dirschl, dem Generalvikar des römisch-katholischen Bistums Temeswar, mit dem griechisch-katholischen Ortspfarrer George Rădulescu, assistiert von Diözesanarchivar Dr. Claudiu Călin, eingestimmt.

Es kamen innere Emotionen auf. Wir feierten in der Kirche, wo wir getauft wurden, wo wir den ersten Empfang der Kommunion erhielten, wo wir gefirmt wurden, wo wir die heiligen Sakramente lernten und diese in unserem Dasein leben.
Während der hl. Messe betete man in deutscher, rumänischer und ungarischer Sprache. An zwei Altären sang man einfühlsame Marienlieder. Vor dem Hauptaltar schmückten im Vorfeld schon Barbara und Werner Hehn sowie Maria Noll den Boden in Form eines Teppichs mit bunten Rosen.
Die Fürbitten las unser Wahl-Andreser Manfred Ullrich von Nürnberg.
Bevor der festliche Gottesdienst mit dem römisch-katholischen Kirchenlied “Großer Gott, wir loben dich” sein Ende nahm, trat die Stellvertretende HOG-Vorsitzende Barbara Hehn vor und bedankte sich bei dem Generalvikar für seine Bereitschaft und für sein Zelebrieren der schön gestaltenden Messe. Die dankenden Worte wurden von Remo Neusatz ins Rumänische übersetzt.


Nach dem Gottesdienst, als die Mehrheit der Sanktandreser sich wieder erkannte, sich die Hände schüttelten, schritten die Anwesenden auf die andere Straßenseite, wo das Kriegerdenkmal hochragt.

„Wo Hass aufkommt droht Untergang“

Jeder von uns weiß: Krieg ist Untergang.
Am Denkmal beabsichtigte der Vorsitzende der HOG Sanktandres, Johann Janzer, in deutscher und rumänischer Sprache den Unsinn eines Krieges zu veranschaulichen. Er meinte, diejenigen die einen Krieg anzetteln, gehen in die Geschichtsbücher ein, während die sogenannten tatsächlich Leidenden eines Krieges – wir nennen sie Helden – dabei ihr Leben zu Unrecht verlieren. Das sind doch die Folgen eines Krieges. Daher sein Appell: Nie wieder Krieg! Denn Hass und Verachtung lähmt das Leben. Niemals in der Welt hört Hass durch Hass auf. Hass hört durch Liebe auf. Er riet deshalb allen Anwesenden an die Macht der Liebe zu appellieren. Werner Hehn stimmte auf seiner Posaune das Lied “Ich bete an die Macht der Liebe” an und die Teilnehmer sangen mit dem Chor singAndres mit. Der Generalvikar Msgr. Johann Dirschl bat hiernach die anwesenden Christen auf mit ihm den “Vater unser” zu beten. Eine Schweigeminute wurde eingelegt.


Weitere Folgen des abscheulichen Krieges war der Leidensweg unserer Eltern und Großeltern von 1945 bis 1949, als sie bittere Jahre im fernen Russland verbrachten. Nicht nur die Schwerarbeit ließ viele dort sterben, sondern auch die Sehnsucht nach ihren Lieben daheim kränkte sie sehr. Und… wenn das erdrückende Heimweh nach dem Banat und nach ihrem Heimatort Sanktandres nicht gewesen wäre.
Als Kind eines Deportierten schilderte der Vorsitzende auch menschliche Wertschätzungen der russischen Bevölkerung gegenüber den Verschleppten. Diese Tatsache soll unsere heutige Generation ermuntern, andere Völker zu respektieren und einer friedlichen Welt mitzugestalten.
Wir gedenken an die Opfer der Verschleppten nach Russland



“Hunger leidet keinen Verzug”

Um 12 Uhr war es so weit. Zahlreiche Landsleute gingen in ein nahegelegenes Restaurant, das vom Vorstand zu einem Mittagessen empfohlen wurde.
Am Tisch lässt sich ausgiebig erzählen. Diese Gelegenheit ließen sich die Andreser nicht nehmen.
Vor dem Mittagessen betete die Gemeinschaft mit Generalvikar Dirschl ein kurzes Mittagsgebet.

***

Gott, gib ihnen die ewige Ruhe

Das war an diesem Tag das Gebet und Bitte der Sanktandreser, die die Grabstätten ihrer Verstorbenen auf dem katholischen Friedhof besuchten.


Am “Großen Kreuz” legte der Vorsitzende Hans Janzer im Namen der HOG Sanktandres einen Kranz nieder, der an die verstorbenen Landsleute erinnern soll.

“Wir sind die Schüler von heute, die in den Schulen von gestern mit Lehrern von vorgestern und Methoden aus dem Mittelalter auf die Probleme von morgen vorbereitet werden.”

Zu Besuch in unserer ehemaligen Schule

Wir betraten die Schule, wo wir einst das Lesen und das Rechnen lernten. Hier wurde der Grundstein unseres Wissens gelegt. In dieser Schule wurden unsere menschlichen Werte geprägt.


Am Eingang des Hauses empfing uns die Direktorin der Schule, Cristina-Adriana Mihai. Zu Beginn begeisterte sie uns mit dem Stand der heutigen Lehranstalt. Weit über 300 Schülerinnen und Schüler besuchen zurzeit die Schule. Sie beantwortete kompetent die Fragen der ehemaligen Schüler. Die Neugier war groß.


Unter uns weilte auch unser Landsmann Toni Lefort, der hier lernte und später auch hier lehrte. Diese Tatsache, die nahen Informationen aus erster Hand zu bekommen, beeindruckte viele Anwesende.

Frau Mihai führte uns in alle Schulklassen. Wir erinnerten uns an Begebenheiten aus unserer Schulzeit wie “Hände auf den Rücken”, das Abschreiben, die Laborversuche usw. Beim Erzählen dieser schulischen Anekdoten wurde viel gelacht.
Die gut vorbereitete Direktorin bat uns dann in ein Klassenzimmer, das alle Erwartungen übertraf. Schulkataloge vom 19. Jahrhundert bis zur Zeit unseres Lernens an dieser Schule lagen für uns parat.


Handarbeiten, die wir in unserer damaligen Zeit fertigten, zeigte sie vor. Stickereien der ehemaligen Schülerinnen lagen auf den Schatzkisten. Der eine oder andere erkannte seine damals gefertigten Arbeiten wieder. Was für eine Überraschung! Unbeschreibliche Gefühle überrollten uns. Hiermit möchte der Vorstand der Sanktandreser HOG der Schulleitung ein großes Lob aussprechen und sich herzlich dafür danken.
Im Korridor waren Bilder von einst und heute angebracht. Auf einer Pinnwand wies die HOG Sanktandres auf die Notwendigkeit einer Gemeinsamkeit/Împreună aller Sanktandreser hin und das mit den heutigen europäischen Werten.

“Der schönste Weg ist der gemeinsame!”


“Sanktandres – auf europäischem Weg”, das Motto unserer Zusammenkunft und Feier in der Gemeinde Sanktandres

Mehr als 200 Personen haben sich am Spätnachmittag im “Balon” (Zelt zwischen Schule und Rathaus) eingefunden. Es wurden Kaffee & Kuchen serviert. Die Leckereien backte eine Sanktandreserin. Auch deftige Speisen (Grillspezialitäten) wurden angeboten.
“Nun Freunde, lasst es uns einmal sagen: Gut, wieder hier zu sein – gut, euch zu sehn…” hallte durch den Raum. Die singAnsreser sangen das Lied im Namen aller Ausgereisten. Im wahrsten Sinne des Wortes meinten die nun zurückgekehrten Banater Schwaben das auch so. Wohl nicht anders dürften die heutigen Bewohner von Sanktandres es empfunden haben, denn die vielen Umarmungen unter dem Zeltdach hinterließen rührende Momente.


Der Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft Johann Janzer begrüßt in deutscher und rumänischer Sprache die zahlreichen Gästen und heißt alle herzlich Willkommen. Er bedankte sich bei der Sanktandreser Gemeindeverwaltung für die dargereichte Unterstützung, die zum Gelingen dieses Festes beitrugen. Seitens der Gemeindebehörde waren Josef Minnich, Vizebürgermeister des Ortes und Rodica Gürtler, Gemeinderätin vor Ort. Zur Gestaltung und Ablauf des Programmes sorgte unermüdlich Frau Despina Neusatz. Sie lebt in Sanktandres und ist unsere allzeitige Ansprechpartnerin. Vielen Dank dafür. Auch Frau Doina Oşorhean war Ehrengast unserer Feier. Sie trägt sehr viel zu den Rumänischkenntnissen des deutschen Bürgermeisters von Temeswar bei. Als Banater Schwabe freut man sich natürlich, wenn Vertreter des Banater Schwabenverbandes „Landsmannschaft der Banater Schwaben“ unter uns sind. Unter uns war Anita Maurer. Anita ist die Bundessprecherin der Landsmannschaft der Banater Schwaben und HOG-Vorsitzende der Gemeinde Schöndorf. An unserem Festtag weilte in unserer Mitte noch Astrid Weisz, Redakteurin von Radio Temeswar und Siegfried Thiel, Redakteur der Banater Zeitung. Später durften wir noch Daniela Bărbulescu, die Geschäftsführerin des Demokratischen Forums der Banater Deutschen, begrüßen.

Die Schüler der Sanktandreser Schule führten ein kurzes Theaterstück “Rumänische Tradition” auf. Während Veronica Maer (Tanţa) zwei ihrer Gedichte vortrug. Eine rumänische Folkloregruppe begeisterte das Publikum.


Ein Höhepunkt des Abends durfte wohl das Singen der Europahymne gewesen sein. Ein Zuckerl der rumänischen Gruppe zu unserem anvisierten Motto “Sanktandres, auf europäischem Weg.”
Wenn bei der Probe ein Tag zuvor die rumänischen Kinder etwas zurückhaltend uns gegenüber wirkten, ist dann zum Schluss das Gemeinsame voll und ganz zum Ausdruck gekommen: Împreună/Gemeinsam.

Am Ende des Kulturprogramms sangen die singAndreser und der Chor der rumänischen Bevölkerung zwei Lieder: “Copilăria und “Die Gedanken sind frei” in deutscher und rumänischen Sprache.
Mit viel Applaus verabschiedete man die Darsteller.

Gemeinsamer Auftritt

“Musik sagt das Unsagbare”

Mit dieser Aussage wird der tschechische Komponist Bedřich Smetana wohl auch Recht behalten. Im Anschluss des Kulturprogrammes spielte die Banater Blasmusik unter der Leitung von Franz Hoffner auf.


Ein Ohrenschmaus. Und viele Anwesende dürften sich an den Spruch “Tanzen ist die Poesie des Fußes” erinnert haben.
Bis zur späten Stunde wurde das Tanzbein ergiebig geschwungen.

Ergreifende Momente bestimmten diesen Tag in der alten Heimat. Viele Sanktandreser bestätigten dies. Auf der Rückfahrt ins Hotel meinte eine Sanktandreserin aus Vaihingen an der Enz: “Dieser Tag in Andres war mehr als schön. Es war ein besonderer Tag.” Und sie war nicht die Einzige, die das behauptete.

“Freude ist die einfachste Form der Dankbarkeit”

Für Freude und Frohsinn wurde am 8. Juni 2023 in Sanktandres gesorgt. Viele Sanktandreser von hüben wie drüben bestätigten uns dies. Für das erfolgreiche Event beteiligten sich viele fleißige Hände und sehr viel Einsatz.

Der Vorstand der HOG Sanktandres bedankt sich
bei:

Josef Minnich, Vizebürgermeister der Gemeinde Sanktandres sowie bei dem gesamten Gemeinderat und Gemeindeverwaltung
Despina Neusatz, eine ehemalige Sanktandreser Lehrerin, die uns in allen Belangen unterstützte;
Cristina-Adriana Mihai, Schuldirektorin;
Iovanel Elena, Lehrerin;
Nicolicin Sorina, Lehrerin;
Roxana Rozovlean, Lehrerin;
Msgr. Johann Dirschl, Generalvikar des Temeswarer Bistums;
Dr. Claudiu Călin, Diözesanarchivar der Diözese Temeswar;
Zoltan Mathe, Priester der Pfarrei Mehala;
George Rădulescu, gr.-kath. Pfarrer in Sanktandres;
Annika und L. Barabas, kath. Kirchengemeinde Sanktandres;
Remo Neusatz, Vertreter der Donauschwaben in Österreich;
Franz Hoffner und seine Banater Blasmusik;
Heidrun Till und ihre singAndreser;
Werner Hehn, Intermezzi mit Posaune
Ramona Lambing, Passage Travel Saarbrücken/Temeswar;
Astrid Weisz, Radio Temeswar;
Siegfried Thiel, Banater Zeitung;
Valentina und Ilie Ivan für die Mitgestaltung des Blumenteppichs in der Kirche;
Emilia Rişca, Bäckerin;
Ion Rozovlean, Catering

Von der Veranstaltung berichteten Radio Temeswar und die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien/Banater Zeitung:

Dieses Projekt wird durch das Kulturwerk Banater Schwaben e.V. aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.


Ein Gedanke zu „Von heimatlichem Feeling überwältigt“

  1. Ein sehr gut vorbereitetes und gelungenes Fest.
    Ihr habt eine dauernde Brücke zwischen Ost und West gebaut.
    Danke allen die an den Vorbereitungen und am guten gelingen beteiligt waren.

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