Bericht über meinen Besuch im Banat (Juni/Juli 2021)

Zwischen dem 27. Juni und dem 3. Juli 2021 (An- und Abfahrt inklusive) hielt ich mich in Temeswar und Sanktandres auf.

Bei meiner Ankunft in Temeswar schwärmte ich erneut von dieser schönen Stadt, die im Jahr 2023 die europäische Kulturhauptstadt sein wird. Viele Gebäude sind bereits oder werden zurzeit saniert. Man merkt, die Stadt will im Jahr 2023 besonders herausgeputzt sein. Die Stadtverwaltung und der Kulturhauptstadt-Verein geben sich hierfür große Mühe. Der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz sagte unlängst, dass man im Rathaus in den vergangenen Monaten ein Konzept auf die Beine gestellt habe, das Erfolg verspreche. Im Juni hatte er ein Treffen mit mehreren Temeswarer Kulturschaffenden. Schriftsteller, Künstler und Schauspieler, aber auch Leiter von öffentlichen Kulturinstitutionen waren dabei. Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien berichtete in ihrer Ausgabe vom 24. Juni 2021 ausführlich darüber.

Auch in Sanktandres wurde in den letzten Jahren viel getan. Es scheint, als würde die Gemeindeverwaltung alles daran setzen, um dem Dorf ein schmückendes Antlitz zu verleihen.
Durch die strengen Pandemiemaßnahmen war eine Reise zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich, obwohl wichtige Themen in unserem HOG-Gremium, wie Friedhofspflege, Kapellensanierung, Kontakterweiterung mit einigen Behörden in Sanktandres und Temeswar, längst überfällig waren.
Nun standen Termine mit den Behörden des Gemeindehauses von Sanktandres, mit dem Priester Zoltan Mathe von der Pfarrei Mehala und dem Domarchivar Dr. Claudiu Calin im Temeswarer Bistum auf der Tagesordnung.
Ich konnte in dieser kurzen Zeit sehr intensive Gespräche führen und viele Eindrücke gewinnen. Das Erlebte und die Anschauungen in den heißen Sommertagen (bis 38° im Schatten) wollte ich unbedingt den Vorstandsmitgliedern kundtun.
9 von 11 Vorstandsmitglieder nahmen an einer außerordentlich einberufenen Sitzung am 06.07.2021 teil.
Folgende Themen standen auf der Tagesordnung:

Unsere Kirche und die gr.-kath. Kirche

Die röm.-kath. Kirche ist im Außenbereich komplett mit einigen Schönheitsfehlern im Auftrag der Gemeinde saniert worden. Die Kirchentür weist Schäden auf. Innen ist die Kirche gepflegt und sauber. Der Abfall des Mörtels ist durch die erhebliche Nässe und hohem Aufwand nicht aufzuhalten.
Zirka 30 Personen besuchen wöchentlich den Gottesdienst.
Herr Erwin Tigla, Banater Berglanddeutscher Kulturmanager, Herausgeber, Bibliothekar, Mitglied des Rumänischen Schriftstellerverbands und des Rumänischen Fachjournalistenverbands, machte mich letztes Jahr auf eine besondere Gedenktafel zur Deportation der Andreser aufmerksam, die sich während der Verschleppung angeblich in der Kirche befand. Auch der Journalist und Heimatforscher Luzian Geier bestätigte diese Aussage, hatte er doch nach seinem Wissen anfangs der 90er in der NBZ darüber berichtet. Ich war nun fest entschlossen, bei dieser Gelegenheit diesbezüglich zu recherchieren. Mit Erfolg. Ich bin fündig geworden. Die aufgetauchte Marmortafel mit der Inschrift „Hl. Antonius behüte und beschütze die Ostarbeiter“ habe ich am 28.6.2021 an den Ort gebracht, wo sie eigentlich hingehört: zum Hl. Antonius in der Andreser Kirche. Vor fast 80 Jahren war es doch nicht anders. In der Sanktandreser Kirche sind unter einem Kreuz mit dem Leib Christi auch Russlanddeportierten aufgelistet, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehrten, weil sie in der UdSSR verstorben sind.
Die Kirche ist bis auf die Zeiten der Gottesdienste verschlossen. Der Schlüssel zum Haupteingang ist für alle Andreser, die im Ort sind und gerne zum Gotteshaus wollen, in der Altgasse, Hausnummer 50, vorzufinden.

Im Mai 2021 wurden in der griechisch-katholischen Kirche in Sanktandres im Gesicht der Hl. Maria Tränen gesichtet (s. Bericht Es ist ein Wunder! Ist es ein Wunder?) Die Gemeinde Sanandrei stand kopf. Nun ist das Rätsel entschlüsselt und vom Pastor bestätigt. Im November 2020 platzierte man eine Marien-Statue, die aus Holz gefertigt ist, vor die gr.-kath. Kirche. Marias Augen sind in die Statue geklebt. Aufgrund der großen Hitze im Frühjahr begann der Kleber zu schmelzen an und verursachte bei vielen Gläubigen ein Mirakel.

Gespräche mit der Gemeindeverwaltung

Der 1. Bürgermeister Coman und sein Vize Minnich haben mich am 29.06.2021 im Gemeindehaus empfangen. Wir konnten uns in einem fast zweistündigen Gespräch über dies und jenes ausführlich unterhalten.
Der Wunsch unserer Heimatortsgemeinschaft, Beziehungen zwischen den ehemaligen Bewohnern Sanktandres’ und den derzeit dort lebenden Menschen aufzubauen, prallte auf Widerstand. Herr Coman begründete dieses Anliegen als eine schwierige Situation, da eine große Zuwanderung aus allen Landesteilen Rumäniens nach Sanktandres stattfindet und somit entstehe unter den Bewohnern sogar eine gewisse Abneigung zu einer förmlichen Nachbarschaft. Die Bevölkerungszahl hat sich innerhalb der letzten Jahre verdoppelt. Durch die gute Infrastruktur wird die Gemeinde auch in Zukunft gewaltig wachsen. 628 Firmen sind in der Gemeinde registriert und agieren sehr erfolgreich.
Auch eine Denkmalgestaltung an einem Ort im Zentrum des Dorfes (zum Beispiel der ehemaligen Treffpunkt der Andreser Jugend), das an die ehemaligen deutschen Bewohner erinnern soll, stieß auf Ablehnung.
Ich erkundigte mich nach dem Traditionshaus, das ehemalige Pfarrhaus, wo vor Jahren eine Bibliothek untergebracht war und Gegenstände beherbergt waren, die über unser Brauchtum, aber auch über die Sitten der Rumänen in Kenntnis setzen sollte. Seit geraumer Zeit steht diese Einrichtung leer. Geplant ist nun ein „Casa de Buletin“, ein Haus für die Herausgabe von Personalausweisen für Sanktandreser, Mercydorfer und Kowatschier. Den endgültigen Verbleib der damals abgestellten und aufgebauten Gegenstände konnte ich nicht genau herausfinden. Bürgermeister Coman erläuterte auch das Desinteresse der Bewohner von Sanandrei an einer Bibliothek. Er meinte, dass das große Internetangebot auf den Smartphones daran schuld wäre.
Herr Coman wies auf seine Erfolge in den Bereichen Verwaltung, Wohnungsbau, soziale Errungenschaften, wirtschaftliche Aufbauchancen und sportliche Ereignisse in der Gemeinde hin.
Alle Beteiligten waren sich einig, den Kontakt zwischen der Gemeindeverwaltung und der Heimatortsgemeinschaft Sanktandres weiterhin aufrechtzuerhalten. Im Namen unseres Ortsverbandes habe ich die Bürgermeister Coman und Minnich zu unserem bevorstehenden Andreser Treffen im nächsten Jahr in Ellwangen herzlich eingeladen.

Unsere Sanktandreser Geschichte im Diözesanarchiv

Zwei Tage weilte ich im Diözesanarchiv in der Bischof-Augustin-Pacha-Straße in Temeswar. Dort erspähte ich eine Geschichtsperle unseres ehemaligen Dorfes, wo wir den Kindergarten besuchten, in die Schule gingen, unsere Jugendzeit verbrachten und in der Kirche dieses Ortes getauft wurden, zur heiligen Erstkommunion gingen, das Firmsakrament empfingen, über der Sakristei im Religionsunterricht auf unsre Fleißzettel hinarbeiteten usw. Das gesellschaftliche und kirchliche Leben ist dort umfangreich dokumentiert und archiviert. Dr. Claudiu Calin war mein Gesprächspartner. Er gab mir aufschlussreiche Tipps von der aktuellen Kirchenstrategie in Rumänien, von der Zukunft der Kirche und der Denkmäler im Banat, von der Geschichte der Temeswarer Diözese und der ehemaligen Kirchengemeinden im Banat, u. a. auch von Andres. Die Geistlichen von Sanktandres haben viel Material hinterlassen, denn sie schrieben sehr gerne vom Leben der Ortsbewohner. Einen kleinen Bruchteil davon konnten Juliane Wolf (* Pless) und ich abschätzen und festhalten. Somit liegt also noch viel Arbeit vor uns. Wir fanden Unterlagen von Religionsstunden, Einladungen der Mitglieder des röm.-kath. Kirchengemeindeausschusses aus den Jahren 1936 und 1940, Übergabe-Protokoll der Pfarrer Schulter und Ritter aus dem Jahr 1957, Aufzeichnungen von Firmlingen Jahr 1970, Gefallene im 2. Weltkrieg, Dienstzeugnisse, Notizen zum Verkünden an den Sonntagsgottesdiensten, Bericht über eine Verfolgung eines Geistlichen von der Gestapo, Beichtzetteln usw.  

      

Pfarrer Zoltan Mathe unser Ansprechpartner für Kirche und Friedhof (s. Foto Pfarrei Mehala)

Die Kirche in Rumänien wird sich im nächsten Jahr wesentlich neu aufstellen.
Die Auslegungen von Eigentumsaussagen der Friedhöfe im Banat sind neu definiert; das heißt, man fand eine einheitliche Bezeichnung der Eigentumsfrage.
Wie in Deutschland ist man auch hier bestrebt, eine Gräbervergabe mit Nutzungsrecht einzuführen. Wie diese Regel aussehen soll, wird sich noch zeigen.
Für die Restaurierung der Friedhofskapelle muss man einen Antrag an die zuständige Pfarrei und an das Bistum richten. Für Ordnung und Sauberkeit des Friedhofs ist Unterstützung erwünscht, denn die Einnahmen der Pfarrei decken sich nicht mit den erforderlichen Ausgaben. Eine Friedhofsordnung ist unter gerhardus.ro in einem Rundschreiben abgelegt.
Der Priester zeigte Interesse an unserem im Jahr 2015 herausgebrachten Friedhofsbuch, das die HOG ihm zukommen lassen wird.
Im Oktober dieses Jahres wird der Temeswarer Bischof Sanktandres besuchen und daher wahrscheinlich auch zum katholischen Friedhof gehen.

Auf dem Friedhof unserer Vorfahren

Was tut ein Andreser, wenn er ins Banat kommt? Er geht zum Friedhof, wo er die Grabstätten seiner Verwandten besucht. Diesen Schritt habe auch ich getan.
Was sind die Voraussetzungen, um die Gräber der Verstorbenen zu besichtigen und um dort zu beten? Sie müssen zugänglich sein. Der Hauptweg ist freigelegt. Die Pfade zwischen den Gräbern ab der Kapelle ermöglichen einen einwandfreien Zugang zu allen Gräbern. Da das eine wichtige Angelegenheit unserer Heimatortsgemeinschaft ist, hat die HOG einen Mann beauftragt und bezahlt. Den Beauftragten konnte ich auf dem Friedhof treffen und unser Anliegen im Detail erläutern. Er attestierte mir, zwei Mähvorgänge vollbracht zu haben. Ende Juli wird er erneut einen Mähvorgang in Angriff nehmen. Auf meinen Wunsch hin wird er mir dazu Fotos schicken.
Auf diesem Friedhof finden 4-10 Beerdigungen im Jahr statt. Der Leichenverein existiert noch, aber er funktioniert schon seit Jahren nicht mehr. Einnahmen sind anscheinend nicht mehr zu erwarten. Der Verwalter des Vereins bezeichnete die Pandemie als Hauptgrund dieses bisherigen Scheiterns.
Auch den Zustand der Kapelle fassten wir ins Auge. Die Außen- und Innenfassaden müssen saniert werden. Zwei Fensterscheiben sind gebrochen. Die Dachrinne muss erneuert werden. Das sind Arbeiten, die unbedingt erforderlich sind. Das Dach und der Dachstuhl muss ein Expertenteam begutachten. Dann müssen Angebote eingeholt werden, sodass im Frühjahr 2022 die Sanierung abgeschlossen werden kann.
Der Geräteschuppen am Haupteingang steht dem Verfall sehr nahe.
Immer wieder ragen große Sträucher an den Gräbern in die Höhe, die den Erhalt der Grabsteine gefährden. 3-4 Grabsteine sind bereits umgefallen.

Ein Stück Erinnerung aus der alten Heimat

Die Andreser erkennen Tanța wieder

Sie ist Rumänin und ist mit der damaligen deutschen Minderheit in den 70er-Jahren immer gut zurechtgekommen. Bei unzähligen Auftritten sang und musizierte sie erfolgreich in der Sanktandreser Schule.
Juliane und ich folgten einer Einladung bei ihr zu Hause und stellten fest, Tanța Florea kann nicht nur singen, sie kann schöne Bilder malen und schreibt in ihrer Muttersprache unter dem Pseudonym Veronica Maer beeindruckende Gedichte. Die Autorin brachte mittlerweile vier Gedichtbände heraus und erwähnt: „Ich schreibe nicht mit einem bestimmten Gedanken, ich vermittle nur etwas von mir … Ich möchte nur mit jemanden teilen, und dies aus vollem Herzen.“
Einer Veröffentlichung von Tanțas Werken auf unserer Homepage dürfte nichts im Wege stehen.

Einem Landsmann daheim begegnet

Wie schön, wenn man ehemalige Schulfreunde in der alten Heimat wieder trifft. Das Erinnern stand im Mittelpunkt unseres Gespräches. Der Schulkamerad zeigte mir gerne und stolz sein Haus, das er liebevoll herrichtete. Der Korridor, das „Parodizimmer“ (die vordere Stube), der Kachelofen mit dem Diwan, im Hof der alte Brunnen und die „Basin“ (das Reservoir), die nach wie vor das wertvolle Regenwasser speichert, versetzte mich buchstäblich in eine Zeit, die uns allen Andreser unvergesslich bleibt.
Es sind Bilder, die unsere Website in der Reihe Brauchtum und Tradition bereichern könnten.

All diese oben genannten Themen sollen in der nächsten Vorstandsitzung, die am 01.08.2021 geplant ist, nach gut durchdachten Überlegungen, eindringlich diskutiert und abgearbeitet werden, um anschließend dann entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Des Weiteren diskutierten die Vorstandsmitglieder am 6. Juli 2021 über das bevorstehende Kartenturnier in Endlhausen (s. Neuer Anlauf zum Kartenspiel-Wochenende am 22.-22.08.2021).
Nächstes Jahr soll ein Freizeit-Wochenende für Jung und Alt vorbereitet werden.

Ein Gedanke zu „Bericht über meinen Besuch im Banat (Juni/Juli 2021)“

  1. Lieber Hans,
    vielen Dank für dein Engagement. Diese Tafel, die du wieder an ihren Ort in der Kirche gebracht hast, ist lt. Luzian Geier einzigartig im Banat.
    Auch die Kontakte die du zum Rathaus und Diözesanarchiv pflegst sind sehr wichtig.
    Ich freue mich auf das Kartenturnier.
    Liebe Grüße aus Denzlingen
    Sepp Zippel

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