Im August des Jahres 2019 hat die Landsmannschaft ein Projekt auf den Weg gebracht, das anhand eines Leitfragebogens die historische Erinnerungskultur der Betroffenen aufgreift und aber auch über die Folgen der Deportierten sowie deren Kinder berichtet. Dem Aufruf folgten mehr als 110 Kinder ehemaliger deportierter Zwangsarbeiter, die gezwungenermaßen für eine „Wiedergutmachung“ in der Sowjetunion malochten, hungerten und teilweise sogar ihr Leben opferten.
Die Deportation, meist von unschuldigen Menschen getragen von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges so gewollt und befürwortet, hinterließ deutliche unmenschliche Spuren in der banat-schwäbischen Geschichte.
Das Sonderbare an dieser Tragödie der Nachkriegszeit war das Schweigen seitens der staatlichen Behörden im sozialistischen Rumänien. Kein Radio, kein Fernsehen, keine Zeitung berichtete jahrzehntelang darüber. Ich glaub, gerade deshalb erweckt die Verschleppung der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion, nun erzählt aus der Sicht ihrer Kinder hierzu großes Interesse. Ja, es war nicht nur das verordnete Schweigen, sondern auch das strenge Verbot von Äußerungen der Betroffenen im kommunistischen Staat, das die Leidtragenten zu befolgen hatten. Kein Mensch wagte in öffentlichen Institutionen, sich darüber auszudrücken, obwohl fast keine Familie der Banater Heide oder der Banater Hecke sowie im Banater Bergland von diesem Verbrechen verschont blieben.
Die Sanktandreser machten da keine Ausnahme. Auf unserer Website berichten wir unter Sanktandres – Ortsgeschichte – Folgen der Nachkriegszeiten sowie unter Startseite – Aktuelles (Alle Beiträge) vom 17.01.2021 – Sanktandreser Schicksalsbilder von Januar bis März 1945. Ein ausführlicher Tatsachenbericht zu den Erlebnissen in den russischen Gulags ist bereits fest geplant.
Die erste öffentliche Auseinandersetzung mit diesem Thema fand im Banat nach der politischen Wende 1989 statt.
Man höre und staune, tiefgehende Auseinandersetzungen mit dem Schicksal der Verschleppten fanden in Deutschland erst nach 50 Jahren nach dem Beginn der bestialischen Tat statt. Das Haus des Deutschen Ostens in München unterstützte damals die Landsmannschaften der Deutschen aus Südosteuropa.
Erst nachdem die Banater Autorin Herta Müller aus Nitzkydorf den Nobelpreis für Literatur (2009) mit ihrem Roman „Atemschaukel“ erhalten hatte, rückte das Leid der Deportierten in die große Öffentlichkeit – auch in Deutschland.
Als Albert Bohn der Landsmannschaft der Banater Schwaben den Vorschlag unterbreitete, nach 75 Jahren der Deportation ein weiteres bedeutsames Buch über diese schreckliche Begebenheit von damals und die Folgen der Russlanddeportation für die Kinder der Verschleppten herauszubringen, fand dieses Vorhaben überraschender Weise einen sehr großen Anklang. Herr Bohn wurde dabei in allen Bereichen von Werner Kremm, Peter-Dietmar Leber, Anton Sterbling und Walter Tonta unterstützt.
Wie die Herausgeber klarstellen, „soll mit diesem Band die schwierigen und schmerzhaften Erfahrungen und Erlebnisse im Zusammenhang mit der Verschleppung in die UdSSR in vielfältigen individuellen Erinnerungssträngen in einer spezifischen Weise im kollektiven Gedächtnis bewahrt werden. Ebenso sollen die damit festgehaltenen Geschehnisse sowie deren subjektive Verarbeitung aus der Sicht der Kinder der Deportierten zeigen, dass historische Katastrophen und politische Verbrechen, durch wen auch immer verschuldet und zu verantworten, nicht selten schwerwiegende und langfristige Auswirkungen haben, deren zeitliche und sachliche Reichweite man oft gar nicht beurteilen oder abschätzen kann. Sie treffen nicht selten individuell und im subjektiven Sinne völlig oder weitgehend schuldlose Menschen, die dafür mitunter auch noch in der Generationsfolge in kollektive Haftung genommen werden. Dies will der Band als eindringliche Erinnerung und nachhaltige Mahnung vermitteln.“
Mit dem Buch „Die Verschleppung der Deutschen aus dem Banat in die Sowjetunion aus der Sicht ihrer Kinder“ hoffen die Herausgeber „dass die in diesem Band festgehaltenen Geschehnisse der Verschleppung der Banater Schwaben und deren Auswirkungen sowie deren subjektive Verarbeitung aus der Sicht der Kinder der Deportierten über die aus Rumänien stammenden Landsleute hinaus weitere Leserkreise in Deutschland, in Rumänien, in Europa und in der Welt finden, um vor diesem Hintergrund manche nachhaltigen Betroffenheiten, Anliegen und Verständniserwartungen der Banater Schwaben und der Deutschen aus Rumänien vielleicht etwas besser einordnen und verstehen zu können.“
Es ist ein Buch, das allemal empfehlenswert ist, denn es bringt so viel Verborgenes der Betroffenen ans Tageslicht; es schürt keinen Hass und weist in vielen Hinsichten auf Wiedergutmachung und Versöhnung hin. Es sind Erzählberichte, die längst fällig waren. Ein herzliches Dankeschön an die Herausgeber Albert Bohn, Werner Kremm, Peter-Dietmar Leber, Anton Sterbling und Walter Tonta.
Der Band kann zum Preis von 18 € zuzüglich Versandkosten bei der Landsmannschaft der Banater Schwaben unter Tel. 089/2355730 oder per eMail an landsmannschaft@banater-schwaben.de wie auch über den Banater Shop unter www.banater-schwaben.org/banater-schwaben-shop bestellt werden.