Der Landesverband der Banater Schwaben in Baden-Württemberg lud auch in diesem Jahr zu einer Kulturtagung ein. Im Haus der Heimat in Stuttgart sollten am 18./19. November 2023 diesmal Musik und Malerei von Banater Künstlern im Fokus stehen. Ein derartiges Format hat es in den 57 vorhergehenden Tagungen noch nie gegeben. Deshalb schon war die Erwartung der Interessierten, die leider nicht in der erhofften Anzahl erschienen sind, hochgesteckt. Warum diese Annahme? Das hatte seinen Grund: Für den ersten Tag der Tagung konnte Landeskulturreferent Hans Vastag fürs Ohr die Referenten Norbert Merkle für die Banater Blasmusik, Thomas Schmidt für die Tanzmusik am Beispiel Hatzfeld, Dr. Franz Metz für den Bereich Musikgeschichte des Banater Berglands und Adrian Nuca-Bartzer für “Emmerich Bartzer und die Volksmusik im Banat” gewinnen. Am Sonntag war angedacht, dem Auge etwas Schönes anzubieten. Im Blickpunkt standen die Banater Maler Franz Bittenbinder, Herwig Gross und natürlich Stefan Jäger. Um detailliert und aufschlussreich von diesen Künstlern und ihren Bildern zu berichten, bemühten sich Josef Koch und Hans Vastag durch eigene Erfahrungen und durch eine sehr gute Recherche im Vorfeld.
Punkt 14 Uhr begrüßte der Vorsitzende des Landesverbandes der Banater Schwaben von Baden-Württemberg, Richard Jäger, die Gäste (s. Foto). Seitens des Bundesvorstands der Landsmannschaft der Banater Schwaben war Christine Neu anwesend. Die einführenden Worte zu den Tagungsthemen fand Hans Vastag.
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Norbert Merkle, der uns Banater Schwaben inzwischen gut bekannt ist, da er an den Donauschwäbischen Blasmusikkonzerten immer wieder in hervorragender Manier diese Musiksparte präsentiert und aber auch die bisher ausgetragenen Blasmusikveranstaltungen in Ingolstadt, Mannheim oder Stuttgart sehr professionell moderierte.
Banater Blasmusik nach 1945 in der Bundesrepublik. Der Blasmusikkenner listete alle berühmten Blasmusikkapellen auf, u. a. die Original Donauschwäbische Blasmusik unter der Leitung von Josef Augustin, die Original Banater Musikanten unter der Leitung von Günter Friedmann, die Eisenbahner Musikanten unter der Federführung des Sanktandresers Josef Zippel, die Original Kaiserstühler Musikanten geleitet von Werner Salm usw., die sich in den 60er bis weit in die 90er Jahre, ja sogar bis nach der Jahrtausendwende einen Namen machten. Es kam ein Wandel. Andere Musikrichtungen übertrumpfen mittlerweile diese Musikwelt hauptsächlich des 3/4- und des 2/4-Taktes. Die ältere Generation, die mit dieser Musik groß gewachsen ist, hält an dieser schönen Blasmusik fest, obwohl sie in den deutschen Hörfunksendern und in den Fernsehshows fast verschwunden ist. Dennoch gibt es auch heute noch gute Banater Blasmusik. Norbert Merkle führte zum Beispiel die Weinbergmusikanten (Ltg. Hans Wetzler), die Musikkapelle Banater Schwaben Augsburg (Ltg. Werner Zippel), die Original Donauschwäbische Blaskapelle Pforzheim (Ltg. Franz Weinhardt), die Original Donauschwäbische Blaskapelle Reutlingen (Ltg. Hans Frühwald) usw. an, um einigen guten Blasmusikorchestern größere Beachtung zu schenken.
Für das gut zuhörende Publikum brachte der Referent noch viel Insiderwissen in sein gut vorbereitetes Referat. Der in Reutlingen lebende Merkle ist mit den Kassner-Brüdern aus Jahrmarkt in engem Kontakt und hat deshalb schon großen Einblick ins Banater Blasmusikgeschehen. Norbert Merkles Vortrag wurde kontinuierlich mit Blasmusikhits untermalt.
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Tanzmusik am Beispiel Hatzfeld war der nächste Programmpunkt. Thomas Schmidt (s. Foto) spielte zwei Audios seiner Lieblingsstücke ab, mit denen er mit seiner damaligen Band in Hatzfeld und Umgebung des Öfteren auftrat.
In Hatzfeld gab es eine beliebte Tanzschule, und da trat er immer wieder auf, um die Erlernung des Walzer-, Tango-, Foxtrottschritts und sonstige Rhythmen der Tanzbegeisterten zu unterstützen.
Bei dieser Gelegenheit kam es in der Teilnehmerrunde der Tagung zu einer ausgedehnten Aussprache. Die Anwesenden aus den unterschiedlichsten Gemeinden des Banats stellten fest, dass die Tanzabende nach der Nachkriegszeit an den Wochenenden in den Banater Ortschaften sich sehr ähnlich zutrugen.
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Wer Ende Oktober 2023 bei der Weltpremiere der Operette „Grüßt mein Banat“ in Temeswar dabei war, hat schnell begriffen, von welch einem begabten Musiker und Komponisten Adrian Nuca Bartzer zu sprechen vernahm, als er sein Referat „Emmerich Bartzer und die Volksmusik“ vortrug.
Emmerich Bartzer wurde 1895 in Lovrin geboren und verstarb 1961 in Hatzfeld. Er war ein Banater Komponist, Dirigent, Violinist und Pädagoge, aber auch ein Sammler von Volksliedern.
Bei seiner Flucht 1944 in den Westen war er gezwungen, viel Hab und Gut zurückzulassen, u. a. auch seine geschätzte Sammlung von Volksliedern. Nach seiner Rückkehr in die Heimat konnte er noch 10 Melodien von großer Bedeutung retten.
Sein Enkel Adrian stellte einige Lieder vor, wie zum Beispiel auch „Gell, du hascht mei Sohn gere“, das Nuca Bartzer als Leiter des Schubert-Chores Temeswar gekonnt vortrug. Dr. Franz Metz begleitete ihn am Klavier. Man hätte noch gern mehr von diesem Gesangsvortrag hören können.
Nuca Bartzer berichtete auch von Emmerich Bartzers Leben und Schaffen in der Ära der kommunistischen Zeit im Banat. Er stellte auch die Haltung seines Vaters zum Volkslied weitblickend vor.
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Das letzte Referat am ersten Tag der Tagung war der Musikgeschichte des Banater Berglands gewidmet. Dabei stellte Dr. Franz Metz, Musikwissenschaftler, Organist und Dirigent, geboren in Darowa, sein Buch „In E-Dur. Otto Sýkora und die heitere Musikgeschichte des Banater Berglands“ vor.
Was viele Anwesenden sicherlich bis dahin nicht wussten, war, dass das Banater Bergland eines der reichsten und vielfältigsten Musiklandschaften in Südosteuropa war. Die eigenständige Musikgeschichte des Banater Berglands ist beeindruckend. Der Musiker und Komponist Otto Sýkora wurde 1873 in Böhmen geboren. Ein Besuch bei seinem Onkel in Steierdorf im Banat bewegte ihn, im Banater Bergland zu bleiben. Nach seinem Musikstudium am Konservatorium in Prag war er befugt, die Leitung der Reschitzaer Werkskapelle zu übernehmen.
Im Jahr 1937 fand die Erstaufführung von Sýkoras Festmesse in der Temeswarer Domkirche statt, die er Bischof Dr. Augustin Pacha gewidmet hat. Dr. Metz gab einige Details vom Schaffen von Otto Sýkora bekannt, war er doch einer der letzten echten böhmischen Kapellmeister des Banats. Der Referent wies auch auf die Tätigkeit anderer Kapellmeister und Chorleiter, wie zum Beispiel Josef Tietz, Peter Rohr, Johann Stefan Pawelka, Vincens Maschek u.v.a. hin.
Am Abend kam die akustische Wahrnehmung des Publikums voll und ganz auf ihren Genuss. „Klänge einer Stadt“ betitelte sich das Operettenkonzert, das von Nina Laubenthal (Sopran), Wilfried Michl jun. (Tenor), Wilfried Michl (Bariton), Hermina Szabo (Violine) und Franz Metz am Klavier vorgetragen wurde. „Grüß euch Gott, alle miteinander“ von Carl Zeller, „Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde“ von Robert Stolz oder „Grüßt mein Banat“ (Duett aus der gleichnamigen Operette) von Emmerich Bartzer waren nur einige hier aufgereihten Melodien, die zu hören waren und die Musikliebhaber von den Hockern rissen.
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Natürlich konnte der eine oder andere Gast sich nicht so schnell zum Bett der nahegelegenen Hotels begeben, denn zu sehr befasste der erste Tagungstag die Teilnehmer der diesjährigen Kulturveranstaltung. Intensive Aussprachen unter den Anwesenden schlossen den Tagesablauf.
(Fotos und Videoaufnahmen von der Veranstaltung: R. Jäger und J. Janzer)
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Im Vorfeld des zweiten Kulturtages, der von der Banater Malerei berichten sollte, zeigte ein Banater Künstler aus Altkischoda bei Temeswar, Robert Waberer, einige seiner Bilder im Foyer des Hauses. Den ersten Schliff erwarb er in VHS-Kursen in München-Garching. Um den Einblick der Malerei in Portrait, Landschaft und Stillleben zu bekommen, besuchte er mehrere Kurse bei namhaften Malkünstlern. Seit 2009 wendet er sich der Acryl- und Ölmalerei zu.
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Hans Vastag eröffnete den zweiten Tag der Tagung mit einem Impulsreferat. Die Malkunst von Banater Maler stand im Mittelpunkt.
Der Ehrenvorsitzende der HOG Hatzfeld, Josef Koch, referierte – begünstigt durch sein breites Wissen vom Hatzfelder Künstler – über den wohl berühmtesten Maler aus dem Banat, Stefan Jäger und dessen heimatlichen Gefilde.
Es war faszinierend zuzuhören und zu sehen, was Stefan Jäger (* 1877 in Tschene † 1962 in Hatzfeld) alles malte. Er verewigte mit seinem Einwanderungsbild, das anlässlich einer Ausstellung 1910 in Gertianosch enthüllt wurde, die Ansiedlung unserer Ahnen im Banat. Das Triptychon mit Wanderung, Rast und Ankunft lässt keineswegs eine Abänderung unserer Geschichte zu. Er ließ wirklich kein Lebensumfeld der Banater Schwaben außer Acht. Er malte das schöne Pipatschfeld, die breiten Straßen mit den typischen Häusergiebeln der schwäbischen Dörfer, die Banater Höfe, mit dem bunten Oleander oder Flieder bepflanzt, die schwere Feldarbeit der Bauern, das soziale und kirchliche Leben der Banater Bewohner usw. Er verewigte auch die schreckliche Flucht 1944, die Verschleppung der Banater Schwaben nach Russland 1945 und den Einzug der Kolonisten in die Dörfer der Banater Heide und Hecke. Im Stefan Jäger-Archiv (hier der Link dazu https://jaeger.banater-archiv.de/index.php?title=Hauptseite) ist eine Sammlung seiner Bilder zu sehen. Sein Grab in Hatzfeld wird von der Hatzfelder HOG in Ehre gehalten. Im Hof der Gedenkstätte in Hatzfeld steht eine Büste von Stefan Jäger, geschaffen von einem anderen berühmten Künstler des Banats, Walter Andreas Kirchner, geboren 1941 in Perjamosch.
Frau Renate Koch würdigte Stefan Jäger mit einem Gedicht, das sie eindrucksvoll vortrug.
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Den Maler und Karikaturist Franz Bittenbinder, geboren 1927 in Temeswar, dürften wohl noch viele Banater Schwaben vor allem mit seinen hervorragenden und wirklichkeitsnahen Karikaturen in der Neuen Banater Zeitung und Neuer Weg in Erinnerung haben. Kulturreferent Hans Vastag besuchte seine Tochter Inge Toader im Saarland und zeigte viele seiner Bilder und auch humoristische Darstellungen von gesellschaftlichen Zuständen in der Zeit seines Lebens im Banat und Niedersachsen, wo er bis zu seinem Tod 2006 in Hannover lebte und wirkte.
Einige Teilnehmer der Tagung kannten die Familie Bittenbinder persönlich, und so wurde das anschließende Gespräch zu einem erweiterten Diskussionsaustausch im Hinblick auf seine Schaffenskraft und auf sein Leben genutzt. Traurig aber wahr: Mit 17 Jahren wurde er nach Russland deportiert. An der Karikatur seines Lagerkommandanten erkannte man erstmals Bittenbinders Zeichentalent. Dadurch wurde die schwere russische Zwangsarbeit etwas erleichtert, indem er Familienbilder für sowjetische Offiziere malen musste. Mit Ölfarben, die er selbst mixte, fertigte er mit Streicherpinsel auf Karton Kopien nach Bildern russischer Meister an. So entstanden die ersten Malereien Bittenbinders. Nach seiner Rückkehr aus Russland und dreijährigem Militärdienst verdiente er seinen Lebensunterhalt als technischer Zeichner in Temeswar. Von 1958 bis 1960 besuchte er im Fernunterricht die Temeswarer Lenauschule.
Er bebilderte die deutsche Schulfibel in Rumänien und fertigte zahlreiche Illustrationen für die NBZ. Er hat auch hunderte von Aquarellen, Temperabildern, Federzeichnungen und Ölbildern gemalt. Die Anwesenden der Tagung haben durch dieses Referat sehr viel von dem Künstler Franz Bittenbinder erfahren können.
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Zum Schluss wurde der surrealistische Maler Herwig Gross vorgestellt. Er wurde 1955 in Hatzfeld geboren. Referent Hans Vastag kannte den Maler sehr gut, hat er doch mit ihm einige Jahre in dem Banater Heidestädtchen Hatzfeld verbracht. Deshalb konnte er dem Publikum sehr viel vom Leben und Schaffen des viel zu früh verstorbenen Künstlers († 2012) erzählen. Gross studierte Biologie und in Trier besuchte er die Europäische Kunstakademie. Herwig Gross war einer geistigen Bewegung, die sich als Lebenshaltung und Lebenskunst gegen traditionelle Normen äußert (Surrealismus), verhaftet. Traumhaftes, Absurdes, Unbewusstes und Phantastisches sind die Merkmale seiner Bilder.
Die von Hans Vastag gezeigten Bilder unterlagen einer gründlichen Analyse der äußerst interessierten Teilnehmer im Haus der Heimat. Man staunte über Herwig Gross‘ Fähigkeit zum surrealistischen Malen.
Die Herwig Gross ArtGalerie kann man unter https://www.herwig-gross.de/galerie/ aufrufen und ist für jedermann zugänglich. Auf dieser Website sind neben einer Galerie auch eine Werksliste sowie auch seine veröffentlichten Expositionen zu erkunden.
Kurz nach der Mittagszeit verabschiedeten sich die Anwesenden der Tagung. Sie nahmen sehr viel Wissen über Banater Kulturschaffenden mit, die sehr viel für Schönheit für Ohr und Auge sorgten. Wenn man das Leben eines Künstler einigermaßen kennt, dann kann man diesem Zitat nicht widersprechen: „Jedes wahre Kunstwerk offenbart ein Stück der Seele seines Schöpfers.“
Die 58. Kulturtagung bleibt allen Teilnehmern mit Sicherheit noch lange in Erinnerung.
Sehr aufschlussreicher Beitrag. Danke