Danke an das Deutsche Staatstheater TM

Gastspiel des Deutschen Staatstheaters Temeswar in Karlsruhe

10. Juni 2024

menschen. zu verkaufen

Text und Regie von Carmen Lidia Vidu

Besetzung:
Oana Vidoni, Ioana Iacob, Daniela Török, Harald Weisz, Alexandru Mihăescu, Robert Bogdanov-Schein.

Multimedia: Cristina Baciu
Kostüme & Bühnenassistenz: Ioana Popescu
Live-Kamera & Musik: Ovidiu Zimcea
Dramaturgie: Rudolf Herbert
Illustrationen: Gabriela Schinderman


Das DSTT zu Gast in Deutschland

Das Deutsche Staatstheater Temeswar (DSTT) begibt sich im Juni mit der Aufführung „Menschen. Zu verkaufen“, geschrieben und inszeniert von Carmen Lidia Vidu, auf internationale Tournee. Die Gastspielreise wird vom Rumänischen Kulturinstitut Bukarest finanziert. Zwei Aufführungen finden in den Spielstätten des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe statt, und zwar am 10. und am 11. Juni 2024, sowie eine im Heimathafen Neukölln in Berlin, am 14. Juni 2024. Menschen. Zu verkaufen ist die zweite Inszenierung von Carmen Lidia Vidu am Deutschen Staatstheater Temeswar. Sie verbindet geschickt Mittel des Theaters mit jenen des Films und der Fotografie.

Karlsruhe, 10.06.2024
Knapp ein Dutzend von Sanktandreser Landsleuten begaben sich nach Karlsruhe, um das Theaterstück “Menschen. Zu verkaufen” mitzuerleben. Es ist ein Stück, das ein Fragment unserer Geschichte beschreibt bzw. dieses wieder hochleben lässt.
Noch vor der Aufführung konnte unsere Gruppe vor den Toren des Badischen Staatstheaters kurz mit der Regisseurin Carmen Lidia Vidu ein kurzes Gespräch führen.
Unmittelbar vor der Vorstellung begrüßte der Oberbürgermeister von Karlsruhe Dr. Frank Mentrup das Ensemble aus Temeswar. Für ihn war von Bedeutung, dass er auch die Regisseurin Carmen Lidia Vidu sowie den Intendanten des DSTT Lucian Vărșăndan in den Reihen des ausverkauften Hauses begrüßen durfte. Unter anderem erwähnte der Oberbürgermeister die erfolgreiche Wiederwahl des Temeswarer Bürgermeisters Dominic Fritz zum Stadtoberhaupt und bekundete seine volle Zufriedenheit über den Verlauf der Zusammenarbeit zwischen den beiden Partnerstädten Karlsruhe und Temeswar. Er wünschte dem neugierigen Publikum einen ergreifenden Theaterabend. Dann warteten wir im Studio des BST Karlsruhe gespannt auf den Auftritt der Gäste (DSTT) aus dem Banat.

Mitglieder der Sanktandreser Gruppe
Ansprache des OB von Karlsruhe
Eine Darstellerszene (Quelle: DSTT)

Handlung:

Während die offizielle Propaganda vor den „Abgründen“ der freien Welt warnte, fand in Rumänien der vermutlich größte Menschenhandel des 20. Jahrhunderts statt. „Menschen. Zu verkaufen“ zeigt, wie das kommunistische Rumänien seine deutsche Minderheit – vor allem Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen – insbesondere in den Jahren von 1969 bis 1989 – der Bundesrepublik Deutschland verkaufte.
Im ersten vertraulichen Abkommen, das 1969 zwischen den beiden Ländern geschlossen wurde, wurde den Vertretern der Securitate (rumänischer Geheimdienst), die im Auftrag des Diktators Nicolae Ceaușescu verhandelten, eine Belohnung für jeden Angehörigen der deutschen Minderheit versprochen, der das Land verlassen durfte. Bis Ende 1989 verließen rund 226.000 Deutsche das Land, für das sich der deutsche Rechtsanwalt Heinz Günther Hüsch im Auftrag von mehreren Bundesregierungen mit Zahlungen von beträchtlichen Geldsummen einsetzte. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus folgte der Massenexodus der meisten noch in Rumänien lebenden Deutschen.
Infos über Auswanderungsgründe und Migration von Sanktandresern können Sie auf folgenden Websites der HOG Sanktandres lesen: Unser Existenzende in Sanktandres und Flucht, Migration und Neuanfang.
In diesem Theaterstück wird auch sehr umfangreich das Leben der Deutschen in Rumänien, sei es im kulturellen, schulischen, politischen oder sozialen Bereich in der damaligen Zeit, dargestellt. Die Schikanen des rumänischen Geheimdienstes bleiben nicht unerwähnt. Sogar eine Anekdote ist in diesem dokumentarischen Stück gekonnt eingebaut. Die Kamera eines äußerst interessierten Kameramanns schwenkt hin und her zu den Darstellern, um den Akteuren die Möglichkeit zu geben, sich in das damalige Handeln im kommunistischen Rumänien ohne Wenn und Aber zu versetzen. Die Mimik der betroffenen Personen ist sehr gut erkennbar, da die Bilder auf einer großen Leinwand projektiert werden. Videoauftritte vervollständigen die Tatsachenberichte in dem Bühnenstück. Es kommen u. a. der Rechtanwalt Heinz Günther Hüsch, der Securist Stelian Octavian Andronic, der Sohn von Hüsch, der rumänische Historiker Mădălin Hodor zu Wort. Der Schluss bildet eine Ode eines älteren Herrn an seine Heimat Transilvanien. Eine berechtigte Frage wurde in den Raum gestellt: “Kann man Menschen retten, indem man sie wie eine Ware behandelt?”

Quelle: ADZ, DSTT und HOG Sanktandres

Gesprächsrunde: Regisseurin, Intendant und Schauspieler
Sanktandreser Publikum im Badischen Staatstheater Karlsruhe


Diskussionsrunde

Die Runde, die aus dem Intendanten des Deutschen Staatstheater Temeswars Lucian Vărșăndan, der Regisseurin Carmen Lidia Vidu und den Schauspielrinnen und Schauspielern bestand, war bereit, Fragen des Publikums zu beantworten.
Alle Wortmeldungen aus dem Publikum nahmen mit Dankesworten an die Temeswarer Gäste ihren Anlauf. Frau Vidu schilderte das Zustandekommen dieses Bühnenstücks. Sie wurde auch gefragt nach der Titulierung dieses Werkes: “Menschen. Zu verkaufen.” Warum das Punktsatzzeichen zwischen “Menschen” und “zu verkaufen” gesetzt ist, dazu hat Herr Vărșăndan ein sehr glaubwürdiges Argument vorgetragen. “Menschen” und “zu verkaufen” sind zwei Gegensätze, die nicht zu vereinbaren sind. Deshalb eine Satztrennung durch einen Punkt, meinte der Theaterintendant. Die Bestätigung erhielt er durch einen prompten, heftigen Applaus. Haben die Darsteller dieses Stückes vor ihren Rollenzuteilungen von dem Menschenhandel in Rumänien etwas gewusst? Eine Frage, die den Mitwirkenden gestellt wurde. Hierzu kam ein eindeutiges: Nein. Ioana Iacob stellte sich in ihrer Schulzeit so gut wie nie die Frage, weshalb ihre Mitschülerinnen und ihre Mitschüler aufgrund der Auswanderung plötzlich die Klasse verließen. Die Prozedur des Auswanderns wurde von ihr damals nicht erkannt. Und Harald Weisz, Jahrgang 1992, erhielt hierzu Informationen von seiner Schwester, die als Journalistin beim Temeswarer Hörfunk tätig ist. Lucian Vărșăndan fühlt sich durch den erfolgreichen Auftritt seiner Truppe auch im Ausland vollkommen bestätigt, dass dieses deutschsprachige Theater von Temeswar auch in Zukunft erfolgreich sein wird, zumal dieses Theater 35 Jahre vor dem Fall des Kommunismus von sich reden machte und erst recht nach der Revolution. Mittlerweile sind wieder 35 Jahre verstrichen. “Möge dieses Theater noch weitere 70 Jahre fortbestehen” fügte der zielstrebige künstlerische Leiter seines Hauses hinzu.
Den Künstlerinnen und Künstlern gebühre viel Lob und herzlichen Dank für das Interesse unserer Geschichte und deren Aufarbeitung (s. auch Erlebtes, Betrachtungen, Aufarbeitung auf unserer Website). Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen.

Vor dem Theaterbesuch in Karlsruhe organisierte Heidi Till eine Stadtführung. Die Sanktandreser Gruppe startete vom Infostand in der Kaiserstraße 72 in mehrere sehenswürdige Viertel der Fächerstadt Karlsruhe.
Der Stadtführer gestaltete zunächst seinen Stadtgang mit einer städtischen Geschichtsbeschreibung, die durch Klängen eines Pianos auf dem Rathausplatz untermalt wurde. Mich erinnerte es an die Partnerstadt Temeswar, wo auf dem Freiheitsplatz von Abend zu Abend behagliche Klavierakustik zum Vorschein kommt. Im Zentrum von Karlsruhe steht das Wahrzeichen der Stadt: Die Pyramide, die Grabstätte von Markgraf Carl Wilhelm. Rechts des Denkmals macht sich unübersehbar das Rathaus von Karlsruhe bemerkbar. Hier wird an den Stadtbaumeister Friedrich Weinbrenner (1766-1826), an den ersten Autobauer Dr. h. c. Carl Benz (1844-1929) und an den Fahrraderfinder Freiherr Karl Friedrich von Drais (1785-1851) erinnert. Sie waren alle Karlsruher. U. a. besichtigten wir das höchste Gericht Deutschlands – das Verfassungsgericht – und das Karlsruher Schloss. Am Ende unserer Stadtbesichtigung standen wir auf dem Platz der Grundrechte. Ein gemütliches Zusammensein in einem Karlsruher Lokal beendete unsere Tagesreise in der zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs mit 300.000 Einwohnern. Eine Stadt, die zahlenmäßig so groß wie meine Geburtsstadt Temeswar ist.

Sanktandreser Gruppe vor dem Rathaus
Die Pyramide in der Stadtmitte
Das Verfassungsgericht
Das Karlsruher Schloss

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