Erzählung von Siegfried Becker
Im Sommer 1947 sind mein Cousin Matzi und ich früh am Abend im „Schopp“ beim Kleenhaus ins Bett geschlüpft, da wir noch bei Dunkelheit aufstehen mussten, um mit Webersch Großvater aufs Feld zu fahren. Den vom Tau durchnässten Klee konnte man mit den Sensen viel leichter mähen, als einen von der Sommerhitze getrockneten. Großvater hat gewußt, dass seine Enkelkinder beim Kleemähen Erfolg haben werden!
Auf einem Sitzbrett über die Woonsleeter gelegt, saßen Großvater in der Mitte, Matzi, der den Pferdewagen zum Kleefeld kutschieren durfte, rechts und ich links.
Inmitten des aufwachenden Dorfes, begleitet von Pferdehufen, Wagenräder, Hundegebell, Hähne Krähen, Kühe Muhen, Gänsegeschnatter, Vogelgezwitscher verursachten Geräusche, stützt sich Großvater mit beiden Händen auf das Sitzbrett, hebt seinen Hintern vom Sitzbrett und begleitet den lauten Furz mit folgendem Satz: „Um es im Lewe leichter zu hann, muß m’r zuerscht etwas tun…“.
Die drei lachenden Stimmen verschmolzen mit dieser friedlichen Dorfidylle…. Mein ganzes Leben lang hat mich diese Lebensweisheit begleitet!
Am Feld angekommen wurde alles für das Mähen vorbereitet. Großvater zeigte uns, wie man die Sense wetzt. Diese wird dem Stielende so auf die Erde gestützt, dass sie nicht verrutschen kann. Dann das Blatt mit den Fingerspitzen der linken Hand von oben so fassen, dass der Daumen auf der Innenseite und die anderen Finger auf der Außenseite liegen. Den Wetzstein aus dem mit Wasser gefüllten und am Riemen (Gürtel) befestigten Schlotterfass (Köcher) nehmen und von der Stilseite bis zur Spitze schwingend, die Schneide wetzen, wobei auf deren Innenseite der Daumen und auf der Außenseite alle anderen Finger im Schleifrhythmus jeweils die abgespreizt werden.
Dann zeigte er uns kurz den Mähbewegungsablauf: die Beine etwas mehr als hüftbreit auseinander, die rechte Hand hält den gebogenen Mittelgriff von oben, die linke den geraden Stil von unten, fast am Ende. Beim Ausholen dreht sich der Körper nach rechts, das Sensenblatt hat Tuchfühlung mit der Erde, dabei macht das linke Bein einen kleinen Schritt voraus, das Körpergewicht wird leicht auf das rechte Bein verlagert, mit viel Schwung wird der Körper mit fast gestreckten, lockeren Armen nach links gedreht, das Sensenblatt rutscht im Kreisbogen bis ganz nach links und am Ende wird das rechte Bein auf gleiche Höhe mit dem linken gesetzt.
Großvater mäht voraus, seine beiden Enkel jeweils eine Mattbreit hinter ihm versetzt. Er gibt mit „unn…, houhh-ruccckkk.!!“ den Arbeitsrhythmus an und macht extra kindgerechte Kreisbögen und immer wieder kurze Pausen.
Um ca. 9:00 Uhr wird, das auf den Feldarbeiten traditionelle, zweite Frühstück eigenommen. Aus’m Brotsack gebt’s Speck un frisch gebacknes Brot, griene Zwiwwle un aus’m grossi Tippe esse alli mitnann’r Brocklmilich.
Danach wird der Klee mit breiten Holzgabeln (Großvater: “So werre die Blädder gschont“) gehäuft und auf den großen, langen Leiterwagen aufgeladen.
Ich durfte diesmal rechts von Großvater die Ernte nach Hause kutschieren. Als begnadeter Sänger hat Großvater schöne Lieder angestimmt und seine musikalischen Enkel haben mitgesungen.
Alle Tiere freuten sich auf diese Delikatesse. Ohne noch das Wort Bio zu kennen, wurde alles 100%-ig rein biologisch bearbeitet und von Mensch und Tier verzehrt. Solche oder ähnliche Glückstage hatten die Großfamilien bei ihren fleißigen vielseitigen Tätigkeiten ganz viele.