Kaum jemand hätte sich 1931 wohl vorstellen können, dass der während der schweren Wirtschaftskrise gerade neu gegründete Eisenbahner Musikverein Freiburg es schaffen würde, bis zum Jahr 2018 in aller Munde zu sein. Es waren damals einige beherzte Eisenbahnerkollegen, die ihren Alltag durch Musizieren bereichern wollten. Einen Anspruch auf qualifizierte Musiker gab es nicht, wie man in dem “alten Protokollbuch” nachlesen kann, nein, es waren Männer, die einfach etwas auf die Beine stellen und Freude haben wollten.
Im Laufe vieler Jahre wuchs der Verein zunächst zahlenmäßig mächtig an und selbst der 2. Weltkrieg hat es nicht geschafft, den “Eisenbahnern” die Freude an der Musik zu nehmen, obwohl viele Instrumente und deren Besitzer den Kriegswirren zum Opfer fielen. In den Protokollen der 50er, 60er und 70er-Jahre kann man nachlesen, dass sich der Verein ständig vergrößerte und während der Jahre viele Feste veranstaltet wurden. Bezeichnend war in diesen Zeiten, dass alle Musikanten Eisenbahner Bedienstete waren.
Machen wir einen Sprung in die 80er Jahre: Es war eine glückliche Fügung, dass der Verein den zwischenzeitlich aus dem Banat nach Freiburg ausgereisten Jakob Lehmann aus Deutschbentschek als Dirigent gewinnen konnte. Die Musik kam ab von der damals etwas belächelten “Eisenbahner Blechmusik” und die Kapelle entwickelte sich zur traditionellen Blasmusikkapelle. Die Auftritte in Freiburg und Umgebung wurden häufiger. Ich erinnere mich auch gerne an die erste, in Freiburg stattgefundene “Andreser Kirchweih 1981”, die sehr erfolgreich stattfand und bei der Jakob Lehmann stolz den Dirigentenstab führte, als die Trachtengruppe durch Freiburgs Straßen zur Kirche und ins Lokal zog.
Eine neue Ära begann, als Josef Zippel 1998 die Kapelle übernahm. Er war bereits die Jahre davor ständiges Mitglied in der Musikergruppe. Aus seinem Heimatort Sanktandres brachte er langjährige musikalische Erfahrung mit, wie man an anderer Stelle der Homepage ebenfalls lesen kann. Sein musikalischer Anspruch war entsprechend hoch. Er wollte die Kapelle zu Spitzenleistungen führen, was ihm langfristig auch sehr gut gelang. Ein Glücksfall war, nicht nur für ihn, dass zwischenzeitlich einige gute Musikanten aus dem Banat nach Freiburg ausgewandert waren, die Sepp sehr gut in die Gruppe integrieren konnte. Doch wie schon einmal erwähnt, Sepp hatte hohe Ansprüche, die nicht jeder erfüllen konnte. Nach und nach, ganz langsam, aber sehr sicher, entwickelte sich die Gruppe zu einer rein “Banater Musikkapelle”, aber immer unter dem Namen “Eisenbahner Musikverein Freiburg”. Die Auftritte in Freiburg und Umgebung wurden immer häufiger. Es sprach sich herum, was man bekam, wenn man diese Truppe engagierte.
Unser damaliger Oberbürgermeister, Dr. Rolf Böhme, war ein großer Fan der Kapelle; er liebte diese Art Musik, wie er mir persönlich mehrfach erzählte. Die Böhmisch-Mährische Blasmusik!
Mehrere Male, ja beinahe jährlich, fuhr die Kapelle auch wieder ins Banat zurück, um dort bei verschiedenen Festen sehr erfolgreich aufzutreten.
Eines Tages war es dann auch soweit: Die Kapelle beschloss, die CD “Mit Musik geh´n wir durch´s Leben” aufzunehmen, die sie auch sehr erfolgreich vermarkten konnten. Das war gleichzeitig der Moment, in dem ich zu der Kapelle gestoßen bin. Mit großer Freude nahm ich die Wahl zur Vorsitzenden an, denn ich kannte die Gruppe bereits seit vielen Jahren und Sepp war mir auch schon 1968 bei meinem ersten Besuch in Andrees aufgefallen. Ich hörte damals von Bekannten, dass er ein musikalisches Talent ist. Seine ersten musikalischen Schritte machte er im Alter von acht Jahren bei Josef Granofsky, der vier Jahre lang versuchte, ihn für das Akkordeon zu begeistern. Danach wuchs bei Sepp die Neugierde auf andere Instrumente. Der ehemalige Leiter der Andreeser Blaskapelle, Franz Senaschy, wurde der Lehrmeister auf den Instrumenten Tenorhorn und Posaune. Damals konnte er noch nicht ahnen, was sein “Azubi” später einmal aus diesen Lehrstunden machen würde.
Der Erfolg zeigte sich immer deutlicher. Ein Treffen der Landsmannschaft in Freiburg ohne die “Eisenbahner Musikanten”, wie wir sie zwischenzeitlich nannten, war kaum vorstellbar. Genauso waren sie bei den Andreeser Treffen nicht wegzudenken! Wir hatten nicht nur Auftritte in der Umgebung, nein, 2013 lockte auch die große weite Welt. Durch Vermittlung der Landsmannschaft bekamen wir die Gelegenheit, mit Banater Volkstanzgruppen nach Amerika zu reisen, wo wir in acht Städten das Können der Musiker unter Beweis stellen konnten. Wir erlebten ein begeistertes Publikum in Philadelphia, Kitchener(Canada), Cleveland, Milwaukee, Chicago, St. Louis, Cincinnati und Detroit.
Zweimal, 2010 und 2014, durften wir auch das “Volkstanzfestival BW” in Freiburg ausrichten. Ein Ereignis, das die Freiburger so nicht kannten. Als die Trachtenpaare, begleitet von den “Eisenbahner Musikanten” durch die Innenstadt zum Rathaus marschierten, fanden sich überall begeisterte und staunende Freiburger am Straßenrand.
Ja, es waren unvergesslich schöne Jahre, die wir alle genießen konnten und die die Kapelle in Freundschaft verbunden hielt. Bis eines Tages Krankheit und Todesfälle über uns hereinbrachen und wir erkennen mussten, dass wir am Ende einer langen wunderbaren musikalischen Reise angekommen waren und nun das Ende einläuten müssen. Beim Abschiedsfest im Juli 2018 konnte man die Deutlichkeit der Worte meiner Vorgängerin im Amt förmlich spüren:
Sepp Zippel hat der Kapelle die Seele eingehaucht!
Was bleibt ist die Erinnerung an eine wunderbare Zeit!
Lore Lay, Freiburg