Was für ein tolles Wochenende!
Die Sanktandreser Heimatortsgemeinschaft feierte am Maiwochenende (18.5. – 21.5.2023) erfolgreich ein Brauchtumsseminar in Bad Wurzach im Allgäu. Knapp 60 Teilnehmer sind dem Aufruf des HOG-Vorstands an einem derartigen Seminar teilzunehmen gefolgt (s. Gruppenfoto von Susanne Freudenberg). Besonders erfreulich war für uns die Bereitschaft von Kindern und deren Eltern, die das ehemalige Brauchtum in unserer alten Heimat live miterleben wollten.
Es ist mittlerweile zur Tradition geworden, dass der im Jahr 2017 gegründete Chor der ehemaligen Sanktandreser, genannt singAndres, sich einmal im Jahr an Christi Himmelfahrt für ein Chorprobenwochenende trifft. So auch dieses Jahr geschehen. Und trotzdem war es anders als sonst, denn gleich im Anschluss an die Chorproben war im Rahmen eines angesetzten Seminars ein Auftritt geplant.
Am Donnerstag und am Feiertag, kamen nach und nach die Chormitglieder in die Wieshofener Herberge. Die Parkplätze füllten sich. Beim etwas genaueren Hinblick wurde mir sofort klar, welch eine Anreise die Gäste unseres Seminars in Kauf nahmen. Die Autokennzeichen verdeutlichten dies. Sigi Till wagte jedoch eine Radtour von über 160 Kilometern, von Döffingen bis nach Bad Wurzach.
Das Freizeit- und Feriendomizil Wieshof bietet in unberührter Natur für Gruppen ein ungetrübtes Ferienerlebnis. Das große Haus eignet sich vor allem auch für musikalische Weiterbildung oder Probewochenenden für Chöre, Orchester oder Blasmusiken. Auf Wunsch stehen ein gepflegter Flügel und zwei Klaviere zur Verfügung.
Allen Teilnehmern teilte man die Übernachtungsräume zu. Mit einer kleinen Filmvorführung von einem Auftritt des Chores im Jahr 2019 in der Sanktandreser Kirche wurden die singfreudigen singAndreser eingestimmt. Ein mulmiges Gefühl begleitete die Gesangsgruppe als unsere Heidi Till (Chorleiterin) aus privaten Gründen absagen musste. Zaghaft übernahm Monika Lang die Führungsrolle und langsam, langsam fanden sich die Sängerinnen und Sänger nach einem Jahr Singpause wieder zu ihren gewohnten Stimmlagen.
Der Freitag und Samstag, dabei sollte man den Sonntagmorgen nicht außer Acht lassen, hatte es dann wirklich in sich. Der Aufenthaltsraum in der breitangelegten Herberge füllte sich allmählich. Gutgelaunte Andreser und deren Freunde wie Barbara aus der Schweiz, Jürgen als Heilbronner bzw. Ilsfelder Franke, unser langjähriger Wahl-Andreser Manfred als Nürnberger Franke, Karin aus der Ostzone Deutschlands, Susanne aus Erding, Wolfgang aus Oberbayern usw. reihten sich in unsere „schwowische“ Gesellschaft ein, um in den nächsten Tagen „schwowisch“ kollektiv zu handeln und selbst mit uns über unser Brauchtum von einst zu staunen und aufzufrischen.
Der Freitag
Während die Chormitglieder fleißig probten, hat Hans Noll sich bereit erklärt, eine Variation von „schwowischem Paprikasch“ und ungarischem Gulasch als Gericht für alle Anwesenden zu kochen.
Als Beilage bereitete Helene Bejenaru einen echten Mămăligă zu. Er ist ein aus Maisgrieß hergestellter Brei und ist besonders in Rumänien ein Nationalgericht.
Gleichzeitig bereiteten die Frauen gekonnt die tollsten Beilagen zu. Das Auge war dem Magen gegenüber sicherlich nicht benachteiligt. Lecker, lecker…
Bis tief in die Nacht ließen wir dann den Abend ausklingen. Unterstützt von Akkordeonklängen sangen wir die schönsten Volkslieder wie „Der Mai ist gekommen“, „Im grünen Wald, wo die Drossel singt“ oder „Du, du liegst mir im Herzen“ usw., Lieder, die uns bereits in der Kindheit in die Wiege gelegt wurden. Aber auch Lieder wie „Ich bin ein Heidekind“, getextet von unserer ehemaligen Deutschlehrerin Theresia Feil und komponiert von unserem ehemaligen Musiklehrer Werner Albert (s. Lieder „Ich bin ein Heidekind“) sowie “Oh, du mein Sanktandres” von unserem Landsmann Anton Bleiziffer, fehlten nicht am Gesangsabend.
Es bildeten sich Gruppen, die Gesellschaftsspiele nebenbei aufstellten. Fuchse, Canasta und Rummy waren die beliebten unterhaltsamen Spielen.
Am Samstag in der Früh überraschte mich persönlich das hilfsbereite kleine Geschwisterpaar Sarah und Paul, die längst in der Küche und im Essraum tätig waren, als die „Lumper“ (Leute, die besonders lang und ausgiebig feiern) vom Vorabend noch tief schliefen. Langsam nahm dann das Frühstücksbuffet auch seine wohl schmeckende Gestalt an.
Einige Sportliebhaber spielten im zweiten Obergeschoss des Hauses Tischtennis oder kickten. Auch unsere kleinen Gäste zeigten da Interesse. Nicolas war von der Pinpong-Gerätschaft begeistert. Andere wie Emma, Max und Sarah wiederum spielten gemeinsam im Seminarraum. Paul spielte behutsam sein Repertoire auf dem Klavier, das ihm verführerisch zum Spielen zur Verfügung stand.
Während die Chormitglieder, die an Fronleichnam am 8. Juni in Sanktandres im Banat unbedingt singen wollten, zum Proben ansteuerten, war das Zubereiten unsrer „Banater Bratwurscht“ längst im Anmarsch. Die Interessierten konnten das Würzen und Kneten der Fleischmasse verfolgen und anschließend das Wurstspritzen beäugen. Die Begutachtung der Wurst kam nach dem Braten und nach dem Aufmarsch der schmackhaften Wurstringe in den hergerichteten Bräter. Alle waren sich einig: „Die Arbeit hat sich gelohnt.“ Genauso klang diese Feststellung im Banat beim Schlachtfest, das damals jedes Jahr zu einem wohltuenden Ereignis gekürt wurde.
Nach dem Mittagmahl bildeten sich Gruppen, die für ihre Verdauung sorgten. Es wurden nämlich Spazier- und Wanderwege angestrebt. Die langersehnte Frühlingssonne unterstütze diese Vorhaben.
Andere Teilnehmer nutzen die Gelegenheit durch ein Gespräch den Kreis der lückenhaften Zeit des Wiedersehens zu schließen.
In der Küche standen bereits die Bäckerinnen, die Neugierigen und die Hilfsbereiten und backten „Kipfle“ und „Schitt ins Blech“. Das letztere Gebäck nennt man auch noch „Faule-Weiwer-Kuche“. Wenn man aber genauer hinschaut, merkt man, wie viel Arbeit und Fleiß auch bei dieser Backkunst dahinter steckt. Im Nu waren die Banater Kipfeln und der leckere Kuchen verspeist.
Beim “Kipfle” backen
Beim Backen von “Schitt ins Blech” (s. Rezept in Kulinarisches – Schitt ins Blech)
Weil eben alles so hervorragend schmeckte, das vom Ortsbäcker gebrachte Brot und die Brötchen zum „Tunke“ und als „Schmalzbrot“ noch hergenommen wurde, aber kein Mensch daran dachte, dass der christliche Sonntag vor der Tür steht, standen wir plötzlich ratlos da. Ideen waren gefragt. Und siehe da, wir nahmen eine weitere Seminarvorführung in Angriff. Es wurde noch frisches Brot gebacken: „Weißbrot wie dehemm mit knuspriche Korscht“.
So konnten alle Teilnehmer bis spät in die Nacht sich wieder dem Gesang und den Gesellschaftsspielen widmen.
Zuvor stand noch der lang erwartete Chorauftritt der singAndreser auf dem Programm. Für die Ansage war auch diesmal Thommy Till zuständig. Im Repertoire stand auch das Quodlibet „Es tönen die Lieder.“ Dieses mehrstimmige Musikstück beinhaltet mehrere gut bekannte Lieder wie „Heut kommt der Hans zu mir“, „Hab mein Wage voll gelade“ oder „Trink nicht so viel Kaffee“.
Auch “Die Geige, sie singet” – eine Melodie mit fünf Stimmlagen (Sopran, Alt, Tenor, Bariton und Bass. Sie werden nach männlicher und weiblicher Stimme sowie nach hoch und tief unterschieden) bzw. mit fünf imitierten Instrumenten (Geige, Klarinette, Horn, Pauke und Trompete) – begeisterte das Publikum.
Am Schluss wurde der Chor mit viel Applaus verabschiedet.
Am Sonntag, nach einem ergiebigen Frühstück, packte der eine oder andere seine Sachen, denn auf Deutschlands Autobahnen war viel los. Was ich mir jedoch nicht nehmen ließ: Ich fragte unsre kleine Emma, ob ich ihr ein kleines Ständchen vorspielen dürfte. Das angesagte Stück betitelt sich „Kleine Emma“ und war mein erster Walzer, den ich auf dem Akkordeon spielen lernte. Als Emmas Zusage kam, tönte der Klang des Akkordeons auf dem einsam gelegenen Wieshof und man drehte festlich eine gutgelaunte Tanzrunde. Zum Schluss erklang eine Melodie des Abschieds „Goodbye ihr Freunde, es war so schön, wir freu’n uns heute schon auf ein Wiedersehen.“
Ein erfolgreiches Seminar ging zu Ende, das ganz und gar unserem Banater Brauchtum gewidmet war. Eine erneute Veranstaltung dieser Art, die unserer Gemeinschaft und unserem Zusammenhalt sicherlich gut tut, wäre wünschenswert. Warum sollten wir es deshalb im nächsten Jahr nicht noch einmal wagen?
Danke allen Freunden, die fürs Organisieren und für die unermüdlichen Tätigkeiten an dem Wochenende mitgeholfen haben. Diese Unterstützung trug zu unserem erfolgreichem Seminar bei.
Dieses Projekt wird durch das Kulturwerk Banater Schwaben e.V. aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.